Erfolgt mündlich.
Antrag LaKo: | Zeitenwende für deutsche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik – aber in die richtige Richtung |
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Antragsteller*in: | Jusos Gotha |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 15.06.2022, 20:37 |
Antrag LaKo: | Zeitenwende für deutsche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik – aber in die richtige Richtung |
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Antragsteller*in: | Jusos Gotha |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 15.06.2022, 20:37 |
Die Jusos Thüringen unterstützen ein einmaliges Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Eurorational begründeter Höhe, um grundlegende Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte beseitigen zu können, lehnen jedoch eine Aufnahme in das
Die Jusos Thüringen fordern von der Bundesregierung eine Neuausrichtung der
deutschen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Neue europäische Bündnisstrukturen bilden:
Das Ziel der deutschen Sozialdemokratie muss ein Zusammenwachsen der
Europäischen Union und aller anderen europäischen Staaten sein. Europa braucht
heute mehr denn je eine geeinte Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die
Gründung eines eigenständigen Verteidigungsbündnisses in Europa, in welchem alle
EU-Staaten, sowie weitere europäische Staaten Mitglieder werden können,
unabhängig von der NATO, sowie die Bildung einer gemeinsamen europäischen Armee
muss ein vordergründiges Ziel der Bundesrepublik Deutschland sein. Hierzu
bedingt es die Gründung eines eigenständigen EU-Ministerrates für
Verteidigungsfragen, sowie die Gründung eines Verteidigungsausschusses im
Europäischen Parlament, da eine europäische Armee zwingend eine Parlamentsarmee
sein muss. Zudem muss ein gemeinsames europäisches Wehrrecht geschaffen werden.
Durch neue Bündnisse können auch neue Möglichkeiten entstehen. Einzelne
Mitgliedstaaten können sich auf bestimmte Fachbereiche konzentrieren. So sollte
es insgesamt das Ziel sein, dass das Budget für Militärausgaben in Europa sinkt.
Mehr Waffen schaffen keinen Frieden!
Bis dieses mittel- bis langfristige Ziel erfüllt ist, muss die deutsche
Bundeswehr dringend reformiert werden.
Aus Einsätzen, wie Afghanistan und Mali lernen:
Künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen auf ein Minimum reduziert
werden. Langjährige Auslandseinsätze wie Afghanistan oder Mali, welche in
Hinblick auf ihre ursprünglichen Ziele absolute Misserfolge waren, müssen der
Vergangenheit angehören.
Umfangreiche Einsätze, welche der Sicherung und Stabilisierung einer Region oder
eines Landes gelten, benötigen künftig einer strengeren und umfangreicheren
Planung, welche unter anderem Zieloptionen und eine maximale Dauer, welche nach
dessen Ablauf nicht wieder verlängert werden kann, beinhalten. Bereits im
Vorhinein des Einsatzes muss klar feststehen, welche konkreten Ziele erreicht
werden sollen. Alle zwei Jahre nach Einsatzbeginn soll eine umfassende
Evaluierung der aktuellen Situation, sowie zum Stand der vorgenommenen
Einsatzziele durch eine Expert:innenkommission durchgeführt werden, welche aus
Parlamentsmitgliedern und fachkundigen Personen aus der Zivilgesellschaft (z.B.
NGOs für Außenpolitik oder Entwicklungshilfe) besteht.
Alle aktuellen Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen einer Überprüfung
unterzogen werden. Sie müssen hinsichtlich ihrer Ziele und der eingesetzten
Mittel noch dieses Jahr neu evaluiert werden.
Einsätze der Bundeswehr sind zudem nur dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen,
wenn ein bestätigtes UN-Mandat für den Einsatz vorliegt.
Kleinere Ausbildungsmissionen oder Unterstützungen von UN-Missionen durch
Beobachter*innen, wie die Missionen MINURSO in der Westsahara, UNMISS im
Südsudan UNIFIL im Libanon oder KFOR im Kosovo sind weiterhin zu unterstützen.
Aktuelle Missionen der Europäischen Union sind ebenfalls zu überprüfen. Ziel
muss hier eine Verlagerung der Abstimmung und Überprüfung (halbjährliche
Abstimmung) von EU-Missionen vom EU-Rat zum Europäischen Parlament sein.
Hauptaugenmerk der deutschen Bundeswehr soll und muss künftig der Landes- und
Bündnisverteidigung gehören.
Reformierung und Grundlagen der Bundeswehr:
Die Jusos Thüringen lehnen die Anschaffung bewaffneter Drohnen entschieden ab
und verurteilen die Anschaffung von 140 Raketensätzen zur Bewaffnung von Drohnen
des israelischen Modells Heron TP durch die aktuelle Bundesregierung.
Die Jusos Thüringen lehnen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht strikt ab. Wir
stehen für die Möglichkeit der freien Entscheidung Jugendlicher und junger
Erwachsener nach dem Schulabschluss. Die Bundeswehr muss eine Berufsarmee
bleiben!
Die Beschaffung in der Bundeswehr durch das Bundesamt für Ausrüstung,
Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) muss grundlegend
erneuert werden. Hierzu dienen folgende Punkte als Grundlagen:
die Beschaffung von Rüstungsgütern durch das BAAINBw (Koblenz) sollte
zukünftig dezentraler gestaltet werden und so auch durch einzelne
Standorte dezentrale Bestellungen ermöglichen. So können diese Standorte
ortsabhängige Beschaffungsprobleme schneller lösen.
der Schwellenwert, bis zu dem ohne Ausschreibungen innerhalb der Kasernen
frei eingekauft werden kann, wurde bereits in diesem Jahr von 1000 auf
5000€ angehoben. Über eine weitere adäquate Anhebung diesen Werts kann
entschieden werden.
Das sogenannte Handgeld von aktuell 25000€ jährlich, mit dem Kommandeure
einfache Ausrüstung oder Ersatzteile anschaffen dürfen, soll angehoben
werden.
Hersteller von Rüstungsgütern erhalten künftig feste Raten pro
Nutzungsstunde, sind aber für Ersatzteilmanagement und Wartungskapazitäten
selbst verantwortlich. So kann die Bundeswehr selbst entlastet werden.
Wenn die Geräte nicht einsatzbereit sind, fließt kein Geld.
Der Schwerpunkt der militärischen Grundausrichtung muss künftig schon in
der Beschaffung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, statt auf
(offensivere) Auslandseinsatzausrüstung, ausgerichtet werden.
Personenausrüstung muss Priorität vor der Beschaffung von Panzern,
Flugzeugen oder Schiffen haben.
Enorme Ausgaben für militärische Berater*innen (Erstes Halbjahr 2019 155
Mio. €), wie unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen müssen der
Vergangenheit angehören!
Keine Spezialanfertigungen mehr! Die Beschaffung muss künftig stärker auf
standardisierte Rüstungsgüter zur Steigerung der Effizienz und
Geschwindigkeit der Lieferungen umgestellt werden.
Finanzierung der Bundeswehr:
Wir erkennen an, dass eine wehrhafte Bundeswehr mit einer sachgemäßen Ausrüstung
notwendig ist. Gleichzeitig kritisieren wir das Sondervermögen von 100
Milliarden in seiner am 01.06.2022 im Bundestag beschlossenen Form. Notwendige
Erhöhungen des Verteidigungshaushaltes sollten nicht über Instrumente erfolgen,
die dauerhaft das Haushaltsrecht des Parlaments untergraben. Die Jusos Thüringen
lehnen eine Erhöhung des Verteidigungsbudget auf 2% des Bruttoinlandsprodukt
(BIP) ab und unterstützen den Beschluss auf dem Juso-Bundeskongress 2021 zur
Abschaffung des NATO 2% Zieles.1
Die Jusos Thüringen unterstützen ein einmaliges Sondervermögen für die
Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Eurorational begründeter Höhe, um grundlegende Versäumnisse der
vergangenen Jahrzehnte beseitigen zu können, lehnen jedoch eine Aufnahme in das
Grundgesetz ab. In der beschlossenen Form wurde ein kreditfinanzierter
Nebenhaushalt im Grundgesetz verankert, welcher nach Belieben von zukünftigen
Regierungen immer wieder neu aufgefüllt werden könnte. Wir kritisieren ebenso
den exklusiv auf die Bundeswehr beschlossenen Verwendungszweck und plädieren für
eine breitflächigere Umstrukturierung für jegliche sicherheitspolitischen
Felder. Es darf nicht ausschließlich für Waffenprojekte der Bundeswehr genutzt
werden.
Vielmehr soll es zur besseren Ausrüstung von Grundmaterialien der Bundeswehr,
für Infrastrukturmaßnahmen, für Zivilschutzmaßnahmen, zur Verbesserung der IT-
Sicherheit von deutschen Behörden und somit zum Schutz vor Cyberangriffen, für
eine Aufstockung von Entwicklungshilfe und somit der Unterstützung von
Auslandseinsätzen oder zur Weiterentwicklung außenpolitischer Konzepte wie
feministischer Außenpolitik, genutzt werden.
Vorrangige Ziele der Jusos Thüringen sind die Absenkung von Militärausgaben und
die Verringerung von zukünftigen militärischen Auslandseinsätzen. Wir möchten
für eine friedlichere Welt einstehen und fordern deshalb eine deutliche Erhöhung
des Etat des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ). Eine bessere Unterstützung vor Ort kann Konflikte auf
friedliche Weise lösen bzw. am Entstehen hindern und für bessere Lebensqualität
sorgen. Nach Berichten aus dem März 20222 sollen im laufenden Jahr sogar 1,57
Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Das Budget sinkt so von 12,4 auf
10,8 Milliarden Euro. Durch Mittel aus dem 100 Milliarden Sondervermögen sollten
pro Jahr mindestens 3 Milliarden Euro für das BMZ aufgewendet werden.
Deutschlands sicherheitspolitischer Einsatz für eine friedlichere Welt:
Ein mittelfristiges Ziel Deutschlands muss eine atomwaffenfreie Welt sein.
Hierzu unterzeichnete die Bundesrepublik bereits 1969 den sogenannten
Atomwaffensperrvertrag (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons –
NPT), welcher das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von
Kernwaffen zum Gegenstand hat.
In Artikel I bis III verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz
von Kernwaffen sind, auf den Erwerb von Atomwaffen. Unter Artikel VI
verpflichten sich die Atommächte zur vollständigen Abrüstung. Diesem Ziel kommen
diese Länder jedoch kaum nach, stattdessen werden Atomwaffenarsenale ständig
modernisiert .
Da dieser aktuelle Vertrag seit Jahrzehnten nur zu unzureichenden Ergebnissen
führt, bedingt es einem neuen Vertrag. Ziel der aktuellen und künftiger
Bundesregierungen muss ein absolutes Atomwaffenverbot sein.
Deshalb fordern wir die Unterzeichnung des sogenannten Atomwaffenverbotsvertrags
(Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons – TPNW) als fünfter europäischer
Staat und als erstes NATO-Mitglied, um ein starkes Zeichen zu setzen. Der
Atomwaffenverbotsvertrag ist eine internationale Vereinbarung, welche die
Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und
Einsatz von Kernwaffen verbietet, sowie die Drohung mit diesen. Dieser Vertrag
ist ein erster Schritt in Richtung einer atomwaffenfreien Welt, soll jedoch auch
nur eine Vorstufe einer Nuklearwaffenkonvention sein, welche klare gesetzliche
und technische Maßnahmen enthält, um eine vollständige Abrüstung zu erreichen.
1https://jusos.de/wp-
content/uploads/2021/10/Antragsbuch_JusoBundeskongress2021.pdf (Antrag F15)
Erfolgt mündlich.
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