Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 6 Antragsberatung |
Status: | Beschluss (Landesvorstand) |
Beschluss durch: | Landeskonferenz |
Eingereicht: | 12.06.2022, 17:57 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Zeitenwende für deutsche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik – aber in die richtige Richtung
Beschlusstext
Die Jusos Thüringen fordern von der Bundesregierung eine Neuausrichtung der
deutschen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Neue europäische Bündnisstrukturen bilden:
Das Ziel der deutschen Sozialdemokratie muss ein Zusammenwachsen der
Europäischen Union und aller anderen europäischen Staaten sein. Europa braucht
heute mehr denn je eine geeinte Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die
Gründung eines eigenständigen Verteidigungsbündnisses in Europa, in welchem alle
EU-Staaten, sowie weitere europäische Staaten Mitglieder werden können,
unabhängig von der NATO, sowie die Bildung einer gemeinsamen europäischen Armee
muss ein vordergründiges Ziel der Bundesrepublik Deutschland sein. Hierzu
bedingt es die Gründung eines eigenständigen EU-Ministerrates für
Verteidigungsfragen, sowie die Gründung eines Verteidigungsausschusses im
Europäischen Parlament, da eine europäische Armee zwingend eine Parlamentsarmee
sein muss. Zudem muss ein gemeinsames europäisches Wehrrecht geschaffen werden.
Durch neue Bündnisse können auch neue Möglichkeiten entstehen. Einzelne
Mitgliedstaaten können sich auf bestimmte Fachbereiche konzentrieren. So sollte
es insgesamt das Ziel sein, dass das Budget für Militärausgaben in Europa sinkt.
Mehr Waffen schaffen keinen Frieden!
Bis dieses mittel- bis langfristige Ziel erfüllt ist, muss die deutsche
Bundeswehr dringend reformiert werden.
Aus Einsätzen, wie Afghanistan und Mali lernen:
Künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen auf ein Minimum reduziert
werden. Langjährige Auslandseinsätze wie Afghanistan oder Mali, welche in
Hinblick auf ihre ursprünglichen Ziele absolute Misserfolge waren, müssen der
Vergangenheit angehören.
Umfangreiche Einsätze, welche der Sicherung und Stabilisierung einer Region oder
eines Landes gelten, benötigen künftig einer strengeren und umfangreicheren
Planung, welche unter anderem Zieloptionen und eine maximale Dauer, welche nach
dessen Ablauf nicht wieder verlängert werden kann, beinhalten. Bereits im
Vorhinein des Einsatzes muss klar feststehen, welche konkreten Ziele erreicht
werden sollen. Alle zwei Jahre nach Einsatzbeginn soll eine umfassende
Evaluierung der aktuellen Situation, sowie zum Stand der vorgenommenen
Einsatzziele durch eine Expert:innenkommission durchgeführt werden, welche aus
Parlamentsmitgliedern und fachkundigen Personen aus der Zivilgesellschaft (z.B.
NGOs für Außenpolitik oder Entwicklungshilfe) besteht.
Alle aktuellen Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen einer Überprüfung
unterzogen werden. Sie müssen hinsichtlich ihrer Ziele und der eingesetzten
Mittel noch dieses Jahr neu evaluiert werden.
Einsätze der Bundeswehr sind zudem nur dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen,
wenn ein bestätigtes UN-Mandat für den Einsatz vorliegt.
Kleinere Ausbildungsmissionen oder Unterstützungen von UN-Missionen durch
Beobachter*innen, wie die Missionen MINURSO in der Westsahara, UNMISS im
Südsudan UNIFIL im Libanon oder KFOR im Kosovo sind weiterhin zu unterstützen.
Aktuelle Missionen der Europäischen Union sind ebenfalls zu überprüfen. Ziel
muss hier eine Verlagerung der Abstimmung und Überprüfung (halbjährliche
Abstimmung) von EU-Missionen vom EU-Rat zum Europäischen Parlament sein.
Hauptaugenmerk der deutschen Bundeswehr soll und muss künftig der Landes- und
Bündnisverteidigung gehören.
Reformierung und Grundlagen der Bundeswehr:
Die Jusos Thüringen lehnen die Anschaffung bewaffneter Drohnen entschieden ab
und verurteilen die Anschaffung von 140 Raketensätzen zur Bewaffnung von Drohnen
des israelischen Modells Heron TP durch die aktuelle Bundesregierung.
Die Jusos Thüringen lehnen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht strikt ab. Wir
stehen für die Möglichkeit der freien Entscheidung Jugendlicher und junger
Erwachsener nach dem Schulabschluss. Die Bundeswehr muss eine Berufsarmee
bleiben!
Die Beschaffung in der Bundeswehr durch das Bundesamt für Ausrüstung,
Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) muss grundlegend
erneuert werden. Hierzu dienen folgende Punkte als Grundlagen:
die Beschaffung von Rüstungsgütern durch das BAAINBw (Koblenz) sollte
zukünftig dezentraler gestaltet werden und so auch durch einzelne
Standorte dezentrale Bestellungen ermöglichen. So können diese Standorte
ortsabhängige Beschaffungsprobleme schneller lösen.
der Schwellenwert, bis zu dem ohne Ausschreibungen innerhalb der Kasernen
frei eingekauft werden kann, wurde bereits in diesem Jahr von 1000 auf
5000€ angehoben. Über eine weitere adäquate Anhebung diesen Werts kann
entschieden werden.
Das sogenannte Handgeld von aktuell 25000€ jährlich, mit dem Kommandeure
einfache Ausrüstung oder Ersatzteile anschaffen dürfen, soll angehoben
werden.
Hersteller von Rüstungsgütern erhalten künftig feste Raten pro
Nutzungsstunde, sind aber für Ersatzteilmanagement und Wartungskapazitäten
selbst verantwortlich. So kann die Bundeswehr selbst entlastet werden.
Wenn die Geräte nicht einsatzbereit sind, fließt kein Geld.
Der Schwerpunkt der militärischen Grundausrichtung muss künftig schon in
der Beschaffung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, statt auf
(offensivere) Auslandseinsatzausrüstung, ausgerichtet werden.
Personenausrüstung muss Priorität vor der Beschaffung von Panzern,
Flugzeugen oder Schiffen haben.
Enorme Ausgaben für militärische Berater*innen (Erstes Halbjahr 2019 155
Mio. €), wie unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen müssen der
Vergangenheit angehören!
Keine Spezialanfertigungen mehr! Die Beschaffung muss künftig stärker auf
standardisierte Rüstungsgüter zur Steigerung der Effizienz und
Geschwindigkeit der Lieferungen umgestellt werden.
Finanzierung der Bundeswehr:
Wir erkennen an, dass eine wehrhafte Bundeswehr mit einer sachgemäßen Ausrüstung
notwendig ist. Gleichzeitig kritisieren wir das Sondervermögen von 100
Milliarden in seiner am 01.06.2022 im Bundestag beschlossenen Form. Notwendige
Erhöhungen des Verteidigungshaushaltes sollten nicht über Instrumente erfolgen,
die dauerhaft das Haushaltsrecht des Parlaments untergraben. Die Jusos Thüringen
lehnen eine Erhöhung des Verteidigungsbudget auf 2% des Bruttoinlandsprodukt
(BIP) ab und unterstützen den Beschluss auf dem Juso-Bundeskongress 2021 zur
Abschaffung des NATO 2% Zieles.1
Die Jusos Thüringen unterstützen ein einmaliges Sondervermögen für die
Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro, um grundlegende Versäumnisse der
vergangenen Jahrzehnte beseitigen zu können, lehnen jedoch eine Aufnahme in das
Grundgesetz ab. In der beschlossenen Form wurde ein kreditfinanzierter
Nebenhaushalt im Grundgesetz verankert, welcher nach Belieben von zukünftigen
Regierungen immer wieder neu aufgefüllt werden könnte. Wir kritisieren ebenso
den exklusiv auf die Bundeswehr beschlossenen Verwendungszweck und plädieren für
eine breitflächigere Umstrukturierung für jegliche sicherheitspolitischen
Felder. Es darf nicht ausschließlich für Waffenprojekte der Bundeswehr genutzt
werden.
Vielmehr soll es zur besseren Ausrüstung von Grundmaterialien der Bundeswehr,
für Infrastrukturmaßnahmen, für Zivilschutzmaßnahmen, zur Verbesserung der IT-
Sicherheit von deutschen Behörden und somit zum Schutz vor Cyberangriffen, für
eine Aufstockung von Entwicklungshilfe und somit der Unterstützung von
Auslandseinsätzen oder zur Weiterentwicklung außenpolitischer Konzepte wie
feministischer Außenpolitik, genutzt werden.
Vorrangige Ziele der Jusos Thüringen sind die Absenkung von Militärausgaben und
die Verringerung von zukünftigen militärischen Auslandseinsätzen. Wir möchten
für eine friedlichere Welt einstehen und fordern deshalb eine deutliche Erhöhung
des Etat des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ). Eine bessere Unterstützung vor Ort kann Konflikte auf
friedliche Weise lösen bzw. am Entstehen hindern und für bessere Lebensqualität
sorgen. Nach Berichten aus dem März 20222 sollen im laufenden Jahr sogar 1,57
Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Das Budget sinkt so von 12,4 auf
10,8 Milliarden Euro. Durch Mittel aus dem 100 Milliarden Sondervermögen sollten
pro Jahr mindestens 3 Milliarden Euro für das BMZ aufgewendet werden.
Deutschlands sicherheitspolitischer Einsatz für eine friedlichere Welt:
Ein mittelfristiges Ziel Deutschlands muss eine atomwaffenfreie Welt sein.
Hierzu unterzeichnete die Bundesrepublik bereits 1969 den sogenannten
Atomwaffensperrvertrag (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons –
NPT), welcher das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von
Kernwaffen zum Gegenstand hat.
In Artikel I bis III verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz
von Kernwaffen sind, auf den Erwerb von Atomwaffen. Unter Artikel VI
verpflichten sich die Atommächte zur vollständigen Abrüstung. Diesem Ziel kommen
diese Länder jedoch kaum nach, stattdessen werden Atomwaffenarsenale ständig
modernisiert .
Da dieser aktuelle Vertrag seit Jahrzehnten nur zu unzureichenden Ergebnissen
führt, bedingt es einem neuen Vertrag. Ziel der aktuellen und künftiger
Bundesregierungen muss ein absolutes Atomwaffenverbot sein.
Deshalb fordern wir die Unterzeichnung des sogenannten Atomwaffenverbotsvertrags
(Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons – TPNW) als fünfter europäischer
Staat und als erstes NATO-Mitglied, um ein starkes Zeichen zu setzen. Der
Atomwaffenverbotsvertrag ist eine internationale Vereinbarung, welche die
Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und
Einsatz von Kernwaffen verbietet, sowie die Drohung mit diesen. Dieser Vertrag
ist ein erster Schritt in Richtung einer atomwaffenfreien Welt, soll jedoch auch
nur eine Vorstufe einer Nuklearwaffenkonvention sein, welche klare gesetzliche
und technische Maßnahmen enthält, um eine vollständige Abrüstung zu erreichen.
Begründung
Die Jusos stehen in einer langen anti-militaristischen und pazifistischen Tradition und stehen über viele Jahrzehnte teils ungerechtfertigten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, sowie weiterer Kriegsverbrechen anderer Ländern, entschlossen entgegen.
In den vergangenen Jahren müssen jedoch auch wir einer stärker militarisierten Welt entgegenblicken. Internationaler Terrorismus, sowie Bürgerkriege in nahezu allen Teilen der Welt führten wiederum zu zahlreichen neuen, sowie andauernden Militäreinsätzen.
Erst im vergangenen Jahr mussten wir Zeug:innen des wohl verheerendsten Abzugs aus einem internationalen Auslandseinsatz werden. Der militärische Abzug aus Afghanistan erfolgte viele Jahre zu spät und dann in einer solch desaströsen Art und Weise, dass dort heute ein fundamentalistisches Regime der Taliban herrscht, welches demokratische und gesellschaftliche Fortschritte innerhalb weniger Wochen und Monate zerstörte.
Auch Deutschland hat Schuld an diesem Ausgang eines Auslandseinsatzes, welcher ursprünglich nie hätte stattfinden dürfen. Nun ließen wir zahlreiche Unterstützer:innen und Ortskräfte zurück und überließen sie ihrem Schicksal.
In diesem Jahr mussten und müssen wir noch immer einem abscheulichen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hier in Europa entgegenblicken. Dieser von zahlreichen Kriegsverbrechen geprägte Angriff auf ein demokratisches Land führte in ganz Europa, in Deutschland und auch bei uns in der SPD und bei den Jusos mindestens zu einem Überlegen, wenn nicht zu einem Umdenken in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Laut Bundeskanzler Olaf Scholz bedeutete dieser Angriff auf die Ukraine eine Zeitenwende. Und ja das stimmt, doch wir Jusos müssen nun die Zeichen dafür setzen, dass diese Zeitenwende in die richtige Richtung steuert und nicht zu einer Aufwärtsspirale von Militarisierung und Aufrüstung führt!
Klar ist, dass die oberste Maxime der Sozialdemokratie und uns Jungsozialisten in der Außenpolitik die Diplomatie sein muss. Klar ist jedoch auch, dass wir einen Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine nicht tolerieren dürfen. Wir müssen ihn auf das Schärfste verurteilen! Wir müssen weiterhin unser Bestes tun, um der Ukraine beizustehen und sie zu unterstützen. Dies gilt deutlich auch für Waffenlieferungen.
Wir Jusos stehen heute an einem Punkt, an welchem wir uns Gedanken über unser zukünftiges Verhältnis mit Auslandseinsätzen, der Bundeswehr und Waffenlieferungen machen müssen. Die Gefahr eines dritten Weltkriegs war seit dem Ende des Kalten Krieges nie so hoch wie heute. Dieser Antrag soll ein erster Aufschlag für uns Jusos Thüringen sein und soll zu ersten Diskussionen und Auseinandersetzungen mit der Thematik führen. Dementsprechend soll dieser Antrag auch keine Gesamtlösungen bieten, sondern vielmehr erste Zeichen für eine zukunfts- und friedensorientierte Sicherheitspolitik setzen.
Bundeswehrreformen können nur Übergangslösung sein
Klar ist, dass die hier vorgeschlagenen Reformen für die Deutsche Bundeswehr nur Übergangslösungen sein können. Ein großes Ziel für uns Jungsozialisten ist ein Zusammenwachsen der Europäischen Union, welche über die Zeit auch mehr Kompetenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten übernehmen kann. Hierzu gehört auch die Gründung einer gemeinsamen europäischen Armee, welche unabhängig zur NATO ist.
In Krisen- und Kriegsfällen kann eine gemeinsame EU-Armee einheitlicher und schneller agieren. Ziel einer solchen EU-Armee kann eine Spezialisierung einzelner Mitgliedstaaten auf bestimmte Sachgebiete innerhalb der Struktur sein. So können die einzelnen Länder strukturell und finanziell entlastet werden.
Oberste Priorität einer EU-Armee muss sein, dass das Europäische Parlament ähnlich zum Deutschen Bundestag die Beschlusskraft für Einsätze hat.
Strukturell müssen innerhalb der aktuellen EU hierfür ein Ministerrat für Verteidigungsfragen, sowie ein Verteidigungsausschuss im Europäischen Parlament gegründet werden. Da wir Jusos für eine Stärkung des Europäischen Parlaments und somit für eine Demokratisierung der Europäischen Union und gegen aktuell zu starke Einflüsse durch die einzelnen Mitgliedstaaten stehen, ist ein Ministerrat für Verteidigungsfragen aktuell notwendig, für uns jedoch nur als Übergangslösung tauglich.
Langfristiges Ziel innerhalb einer Reformation der Europäischen Union muss dann eine Ausrichtung des Ressorts Verteidigung nach dem Vorbild der Bundesrepublik Deutschland sein. An der Spitze des Ressorts steht die/der Kommissar:in für Außen- und Sicherheitspolitik. Inhaltliche Fragen und Vorbereitungen werden ausschließlich im Rahmen des Parlaments getroffen - nicht in undemokratischen Institutionen. Hierfür dient dann ein zu gründender Verteidigungsausschuss, wobei Entscheidungen zu Einsätzen der EU-Armee im Europäischen Parlament abgestimmt und verabschiedet werden. Verlängerungen von Mandaten sollen ebenfalls nach deutschem Vorbild halbjährlich neu abgestimmt werden.
Aktuelle Mandate der Bundeswehr
Zum Verständnis der obigen Forderungen zu Auslandseinsätzen, sollen hier kurz und bündig die aktuellen Mandate der Bundeswehr, sowie möglicher Kritikpunkte dargestellt werden.
Kosovo-Force (KFOR)
Bei diesem Mandat handelt es sich um eine NATO-Mission mit einer Absicherung durch die UN-Resolution 1244. Ziel der Mission ist eine Sicherung der Region Kosovo seit 1999. Seit 2009 werden kontinuierlich die Truppenstärken, sowie Stützpunkte reduziert, wodurch die Deutsche Beteiligung von ehemals 6000 Soldat:innen auf aktuell 80 geschrumpft ist. Über die Jahrzehnte konnte eine Besserung der sicherheitspolitischen Lage festgestellt werden. Ein weiterführendes Auslaufenlassen des Mandats ist die aktuell beste Option.
Counter Daesh (Jordanien) /Capacity Building Iraq
Die Einsätze in Jordanien und dem Irak, welche der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staats dienen, werden zwar von über 60 Ländern getragen, verfügen jedoch über keinerlei UN-Mandat. Der deutsche Anteil an dieser Mission ist relativ gering und beinhaltet vor allem die See- und Luftraumüberwachung, sowie die Unterstützung der Luftbetankung. Das Kontingent Deutschlands ist auf maximal 500 Soldat:innen begrenzt. Eine Beendigung des deutschen Einsatzes ist nach Ablauf des aktuellen, durch den Bundestag verabschiedeten Mandat, ab dem 31.10.2022 von den Jusos Thüringen zu unterstützen.
Operation Sea Guardian
Die Operation Sea Guardian der NATO soll zur Sicherheit im Mittelmeer und zur Stärkung der Südflanke der Allianz beitragen. Gleichzeitig steht bei dieser Mission die frühzeitige Erkennung krisenhafter Entwicklungen im Mittelmeerraum und maritimer Terrorismus im Vordergrund. Die Bundeswehr beteiligt sich temporär mit Schiffen und Booten an dieser Operation. Erst im März 2022 wurde das Mandat durch den Bundestag um ein Jahr verlängert. Hierbei wurden einige gravierende Schwachstellen geschlossen. Bisher waren auch Einsätze in Küstengebieten von Nicht-NATO-Staaten möglich. Außerdem wurde die Obergrenze von Soldat:innen von 650 auf 550 gesenkt. Dieses Mandat sollte weiter evaluiert werden und den wahren Gegebenheiten angepasst werden.
Europäische Trainingsmission in Mali
Die EUTM Mali ist eine multinationale Ausbildungsmission der Europäischen Union. Ziel war es, die malischen Streitkräftemit der geleisteten militärischen Grundlagenausbildung und Beratung dazu zu befähigen, gegen islamistische Milizen in der Region vorzugehen. Heute ist die Aufgabe der Mission, die Streitkräfte anderer afrikanischer Staaten (aktuell Niger), zu befähigen. Mandatiert ist die Mission durch den Europäischen Rat bis 2024, durch den Bundestag bis Mai 2022. Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kam diese Mission in Mali nahezu zum Stillstand, da die malische Regierung eine Zusammenarbeit mit der russischen Söldnergruppe Wagner nicht ausschließen konnte. Da sich diese Mission in absoluter Schwebe befindet, ist eine neue Evaluierung und eine Anpassung des Mandats dringend erforderlich. Eine Beendigung des Einsatzes ist in Betracht zu ziehen.
UN-Mission MINUSMA
Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen dient der Sicherung des Friedens. Die Kernaufgaben sind, die Waffenruhevereinbarungen und die vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien sowie die Umsetzung des Abkommens für Frieden und Aussöhnung aus dem Jahr 2015 zu unterstützen. Durch zahlreiche Zwischenfälle und hohe Verluste von UN-Soldat:innen und Unterstützer:innen entwickelt sich die Mission MINUSMA aktuell zu einem Afghanistan 2.0. Eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik beschreibt den Einsatz der Bundeswehr in Mali mit Stand Februar 2021 als wirkungslos. Grund sei der Stiftung zufolge, dass die Stabilisierung als Ziel meist eine untergeordnete Rolle spielt und in der deutschen Politik nicht über ein wirkungsvolles Engagement in Mali nachgedacht werde. Die Jusos Thüringen sollte den Vorschlag der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) von Anfang 2022 unterstützen, die Einsätze der Bundeswehr in Mali auf ein mögliches Ende hin zu überprüfen.
United Nations Interim Force in Lebanon (UNFIL)
UNFIL ist eine Beobachtermission der Vereinten Nationen im Libanon. Die UNIFIL-Mission wurde 1978 ins Leben gerufen und ist eine der ältesten aktiven UN-Beobachtermissionen. Nach dem Zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006 wurde das Mandat ergänzt. Seitdem unterstützt UNIFIL die libanesische Regierung dabei, die Seegrenzen zu sichern und den Waffenschmuggel über See zu verhindern. Aktuell stellt Deutschland ca. 150 Soldat:innen. Der Einsatz ist bis Juni 2022 mandatiert. Deutschland sollte sich hier für eine Erarbeitung einer Exit-Strategie einsetzen.
United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS)
UNMISS ist ein Einsatz der Vereinten Nationen zur Friedenssicherung im Südsudan.Seit 2011 beteiligt sich die Bundeswehr an der VN-Mission und unterstützt damit den Friedensprozess im Südsudan. Die Personalobergrenze für den Einsatz der Bundeswehr bei der Mission der Vereinten Nationen in der Republik Südsudan liegt bei 50 deutschen Soldat:innen. Das aktuelle Mandat läuft bis März 2023.
European Union Naval Force Mediterranean (EUNAVFOR Irini)
Die Bundeswehr beteiligt sich seit dem 7. Mai 2020 an der Mission EUNAVFOR Irini im zentralen Mittelmeer. Gemäß aktuellem Beschluss des Deutschen Bundestages können bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden. In diesem Einsatz durch die EU wird das UN-Waffenembargo gegen Libyen im Mittelmeer überwacht. Das aktuelle Mandat läuft bis März 2023.
United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara (MINURSA)
Die Mission der Vereinten Nationen zur Vorbereitung eines Referendums über den Status der Westsahara (MINURSO) überwacht den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario – einer militärischen und politischen Organisation in der Westsahara. Die Bundeswehr beteiligt sich an der Mission seit 2013 mit bis zu vier Militärbeobachter:innen. Da die Beobachter:innen unbewaffnet sind, muss keine Mandatierung des Bundestages erfolgen.
Neun weitere Einsätze ohne Mandat
Weiterhin existieren 9 weitere Einsätze der Bundeswehr auf dem Gebiet von NATO-Mitgliedsstaaten. Unter anderem in Litauen, der Slowakei, Rumänien, sowie Marine- und Luftwaffeeinsätze im Baltikum, der Ägäis, im Nordatlantik und im Mittelmeer.
Grundlagen der Bundeswehr
Die Ablehnung der Anschaffung von bewaffneten Drohnen war bisher und sollte auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Jusos sein. Deutschland sollte sich nicht am bereits begonnenen Wettrüsten mit bewaffneten Drohnen beteiligen. Der Kampfeinsatz mit bewaffneten Drohnen aus der Entfernung führt zu einem Krieg, welcher zunehmend emotionsloser und autonomer wird. Eine Senkung von Opfern unter Zivilist:innen ist gegenüber der konventionellen Kriegsführung nicht erkennbar. Im Gegenteil können sich Zivilist:innen vor den meist geräuscharmen bzw. -losen Drohnen nicht in Sicherheit bringen. Das Versagen der Technik, falsche oder fehlerhafte Daten, das Auftreten unerwarteter Ereignisse oder die Inkaufnahme von zivilen Opfern aus politischen oder militärischen Gründen, sind nur vier Anlässe für zivile Opfer durch bewaffnete Drohnen. Bewaffnete Drohnen können zwar die eigenen Soldaten schützen, aber können ebenso zu einer höheren Bereitschaft führen in Kriege einzugreifen.
Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder auch einer sogenannten Dienstpflicht entspricht nicht den Grundsätzen der Jusos. Obwohl wir Angebote des Freiwilligen Sozialen Jahr oder ähnlicher Angebote stark unterstützen, stehen wir für die Freiwilligkeit jeglicher Angebote. Seit dem Krieg in der Ukraine wurde vermehrt eine Steigerung des Interesses von jungen Menschen an der Grundausbildung i der Bundeswehr vermeldet. Diese Freiwilligkeit sollte auch in Zukunft Priorität haben, zudem eine Diskussion über die Wehrpflicht viel schwerwiegendere Probleme hinwegtäuscht. Die Personalstärke der Bundeswehr ist zumindest keines dieser Probleme.
Beschaffung
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat zur Zeit circa 6800 Dienstposten, davon 1700 militärische, sowie 4600 Dienstposten im nachgeordneten Bereich. Im Amt sind 2200 Dienstposten unbesetzt, davon 280 militärische. 180 externe Unternehmensberater arbeiten im BAAINBw. Bis Ende 2022 werden altersbedingt ca. 1000 Mitarbeiter das Bundesamt verlassen.
Alleine diese Zahlen zeigen ein riesiges Versäumnis vergangener Verteidigungsminister:innen, welche alle daran gescheitert sind dieses aufgeblähte Beschaffungsamt zu reformieren. Weder ist die Beschaffung der Bundeswehr personell zukunftsfähig aufgestellt, noch gibt es Grundlagen, welche eine dezentrale und einfachere Versorgung ermöglicht.
Die im Antrag beschriebenen Punkte können hierfür erste Ansätze bilden, um zukünftig jahrelange Verzögerungen, Fehlplanungen und enorme Kostensteigerungen zu verhindern.
Atomwaffenverbotsvertrag
Der im Antrag beschriebene Vertrag wurde 2017 unter der UN-Resolution 71/258 verabschiedet. Stand Oktober 2021 sind 86 Länder Vertragspartner, wovon 56 Länder den Vertrag auch ratifiziert haben.
Die Unterzeichnung Deutschlands würde neben einem starken internationalen Zeichen unter anderem auch den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland bedeuten.
Alle weiteren Vertragsbestandteile sind unter folgendem Originaldokument der UN (in deutscher Sprache) einsehbar: https://www.un.org/Depts/german/conf/a-conf-229-17-8.pdf
Infoquellen zu aktuellen Einsätzen:
Kosovo
Jordanien/Irak
Sea Guardian
EUTM MAli
MINUSMA Mali
UNFIL Libanon
UNMISS Südsudan
EUNAVFOR Irini Libyen
MINURSO Westsahara
Alle Einsätze im Überblick