Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2020 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | Antragsberatung LaKo |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landeskonferenz Jusos Thüringen |
Beschlossen am: | 17.10.2020 |
Eingereicht: | 16.11.2020, 16:00 |
Antragshistorie: | Version 1 |
B2 Digitale Lehre nach Corona
Beschlusstext
Wir fordern, dass die Digitale Lehre nur als ergänzendes Mittel zur Präsenzlehre
verwendet werden darf. Digitale Lehre kann die menschliche Begegnung zwischen
Lehrenden und Studierenden sowie der Studierenden untereinander nicht ersetzen.
Erkenntnis gewinnt man vor allem im Dialog, im unmittelbaren Austausch und in
der Begegnung von Lehrenden und Lernenden. Digitale Lehre bietet viele Vorteile,
aber wir müssen der Gefahr zuvorkommen, dass eine (schlecht umgesetzte)
Digitalisierung der Lehre die Qualität des Studiums mindert.
Wir fordern deshalb angesichts der Herausforderungen, die mit der Entwicklung
und Etablierung digitaler akademischer Lehre für die Universitäten verbunden
sind, den Bund und die Länder dazu auf, der Kostenentwicklung durch die
Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Anschaffung, Pflege und Weiterentwicklung
moderner Kommunikationstechnologien im Hochschulbereich Rechnung zu tragen.
Unsere Hochschulen müssen über digitale Infrastruktur verfügen die einerseits
die Qualität der Lehre durch digitale Lehrmaterialien verbessert und
andererseits die Hochschulen in die Lage versetzt flexibel auf pandemische
Krisen reagieren zu können ohne einen Qualitätsverlust in der Lehre in Kauf
nehmen zu müssen. Ebenso muss der für die Umsetzung guter digitaler Lehre nötige
Aufwand der Lehrenden angemessen berücksichtigt werden.
Wir fordern die Ausweitung der Förderung von digitalen Mitteln, die unsere
Präsenzlehre verbessern und ergänzen. Wir fordern deshalb:
- eine Ausweitung der Mittel von Bund und Ländern zum Lizenzerwerb des
digitalen Zugangs zu Literatur,
- sowie die strukturelle und finanzielle Unterstützung von Plattfomen mit
freien Lehrmaterialien (OER - Open Educational Resources) bzw. die
Schaffung selbiger Platform auf Landes oder Bundesebene, sodass der freie
Austausch von (selbst-)erstellten Lehr- und Lernmaterialien unter
kostenfreien Lizenzen erleichtert wird.
- eine Pflicht zu echter digitaler Lehre für Lehrende bei digital-Semestern.
Buch und Folien hochladen reicht nicht!
- Dauerhaft verfügbare digitale Lehrmaterialien: Nicht nur Streams, sondern
Aufzeichnungen die bleiben!
- Die Universitäten und Fachhochschulen müssen internetfähige Mediengeräte
zur Verfügung stellen.
- Für Lehrende muss der Mehraufwand (zusätzlicher) digitaler Lehre
angemessen in ihrem Arbeitspensum und ihren Stellenanteilen berücksichtigt
werden.
- Ein größeres Angebot an Weiterbildungen im Themenfeld digitales Lehren
muss vorhanden sein.
- Lehrende sollen zu Weiterbildungen im Bereich Digitale Lehre verpflichtet
werden.
Begründung
E-Learning Angebote bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Lehre an den Universitäten zu verbessern. Ob online abrufbare Videos von Vorlesungen, interaktive Online Kurse oder ganze online zu bewerkstelligende Studiengänge samt Prüfung – die Möglichkeiten, die E-Learningangebote bieten, sind immens. Weltweit profitieren studierwillige Menschen von einer Digitalisierung der Lehre. Den größten Vorteil, den uns die digitale Lehre bringt ist eine größere Flexibilität sowie eine größere Autonomie über unser Studium. Digitale Lehre kann beispielsweise dazu beitragen, dass es Studierenden trotz Nebenjob oder Krankheitstagen vereinfacht wird, den Lernstoff nachzuholen. Auch Studierende mit Kindern erhalten so die Möglichkeit ihr Studium und Familienleben besser zusammenzubringen. Digitale Lehre bringt neben Flexibilität und Autonomie auch inklusive Möglichkeiten mit sich. Nicht Muttersprachler*innen können sich Veranstaltungen nochmal anschauen, um Verständnisprobleme zu überwinden und Menschen* mit Lese-Rechtschreibschwäche erhalten so eine zusätzliche Möglichkeit ihr Handicap leichter auszugleichen. Und schlussendlich nimmt auch die Qualität der Prüfungsleistung potenziell zu, wenn Studierende* die Möglichkeit bekommen sich Aufzeichnungen von Veranstaltungen vor Prüfungen nochmal anzuschauen.
Doch E-Learning Angebote können nicht nur für eine Steigerung der Qualität und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Studium von Hochschulbildung beitragen, sondern auch zum Gegenteil. Die Studierenden haben im vergangenen Semester die allermeisten Nachteile der Digitalisierung der Lehre am eigenen Körper gespürt.
In unserer Gesellschaft spielt immer noch der fehlende Zugang oder die fehlenden Kenntnisse zum Internet und zu neuen Medien eine große Rolle. Zum Großteil sind hier die Professor*innen diejenigen, die sich mit der Digitalisierung der Lehre überfordert sahen und oder nicht bereit waren, sich den Anforderungen an eine qualitative digitale Lehre zu stellen. Dozent*innen haben die Digitalisierung der Lehre oft mit „mehr Texte hochladen“ verwechselt. So eine Lehre wollen wir nicht!
Wir wollen eine Hochschullehre, deren wichtigster Nutzungsmaßstab von neuen Medien der Erhalt und die Verbesserung der wissenschaftlichen Qualität von Forschung und Lehre ist. Auch digitale Lehre muss einen der Wissenschaft und der Persönlichkeitsentwicklung dienenden Charakter haben. Digitale Lehre kann die menschliche Begegnung zwischen Lehrenden und Studierenden sowie der Studierenden untereinander nicht ersetzen. Erkenntnis gewinnt man vor allem im Dialog, im unmittelbaren Austausch und in der Begegnung von Lehrenden und Lernenden. Dabei bleibt die physische und geistige Präsenz für die Motivation nicht nur der Lernenden, sondern auch der Lehrenden unersetzlich. Dies bedeutet auch, dass Universitätsprofessor*innen in der universitären Lehre zukünftig nicht auf eine moderierende Rolle oder die einer/s beratenden Tutor*in reduziert werden können und dürfen. Es ist wünschenswert, dass die durch das Netz vermittelte Lehre mit der Präsenzlehre sinnvoll kombiniert und inhaltlich/didaktisch verschränkt wird (z.B. blended learning). Traditionelle und „digitale" Lehre bilden keinen unvereinbaren Gegensatz. Sie können und sollen sich gegenseitig ergänzen und bereichern.
Wir wollen uns deshalb dafür einsetzen, Onlineangebote auszubauen und für möglichst viele erreichbar zu machen und gleichzeitig dafür zu kämpfen, dass dies nicht als Argument dient, um die Präsenzhochschulen zu vernachlässigen. Nicht nur kann eine gezielte Verknüpfung von Präsenzkursen und Online-Angeboten sehr sinnvoll sein kann – es muss auch das Recht jeder*s Studierenden sein, den individuellen Weg des Lernens frei zu wählen. Hierbei dürfen die Rechte von Studierenden und Lehrenden nicht vernachlässigt werden. Auf Seiten der Nutzer von digitalen Lehrformaten gilt es, schutzwürdige Interessen zu wahren. Die Sammlung von Daten, wie zum Beispiel die Antwortgeschwindigkeit, Arbeitslänge und -intensität, Wiederholungsfrequenzen usw., die Rückschlüsse auf das individuelle Studierverhalten zulassen, ist aus datenschutztechnischen Gründen zu untersagen auch die Rechte der Hochschullehrenden als Urheber digitaler Lehrformate sind dabei zu schützen.