| Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | Jusos Erfurt |
| Eingereicht: | 18.09.2025, 19:30 |
Die Frauenhäuser sind voll – Anlaufstellen und Betreuung für Opfer häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt konsequent und angemessen ausbauen!
Beschlusstext
Gewalt gegen FLINTA*, insbesondere häusliche und partnerschaftliche Gewalt, ist
ein sehr großes Problem in Deutschland, das immer noch nicht angemessen bekämpft
wird. Nach wie vor stehen begrenzte Kapazitäten oder gar bürokratische Hürden im
Weg einer umfassenden Versorgung von Betroffenen. Im Jahr 2024 fanden zwei
Drittel der Betroffenen keinen Platz in einem Frauenhaus in ihrer Stadt oder
ihrem Landkreis und mussten in andere Landkreise ausweichen, was eine große
bürokratische Hürde darstellen kann. Hinzu kommt, dass fast jede vierte Person
ihren Aufenthalt im Frauenhaus selbst bezahlen musste, was für viele Betroffene
ein Armutsrisiko darstellt.[1] Dieser Zustand ist inakzeptabel für unsere
Gesellschaft.
In Thüringen gingen am 1. Januar 2025 die Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen
von den Kommunen in die Zuständigkeit des Landes über. Von Gewalt betroffene
Frauen haben außerdem seit 2025 in Thüringen einen Rechtsanspruch auf einen
Schutzplatz.[2] Thüringen ist dabei bundesweit das einzige Land, das diesen
Schutzplatz garantiert. Beide Maßnahmen sind dabei der erste Schritt in die
richtige Richtung, denn durch die Übernahme durch das Land fallen komplexe
Finanzierungsregelungen weg. Die Einführung des Rechtsanspruches bereits im Jahr
2025, statt wie vom Gewalthilfegesetz des Bundes vorgesehen im Jahr 2032[3],
setzt das richtige Signal. Diese Schritte dürfen jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass damit eine umfassende Versorgung der Betroffenen keineswegs
gewährleistet ist.
Eine solidarische Gesellschaft kann Opfern so schwerwiegender Gewalt wie
häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt nicht so unzureichend Hilfe leisten.
Die Versorgung von Opfern häuslicher Gewalt muss darum umgehend verbessert
werden.
Deswegen fordern die Jusos Thüringen:
- einen dem Bedarf entsprechenden Ausbau der Plätze und des Personals in
Frauenhäusern und Schutzwohnungen in Thüringen.
Zwar sind für Thüringen, nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention, gesetzlich
in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Schutzeinrichtungen von mindestens
fünf Familienplätzen vorgesehen.[4] Mit der Übernahme der Frauenhäuser durch das
Land wurde zudem ein Ausbau der Einrichtungen um ca. 100 zusätzliche Betten
angekündigt. Dieser Ausbau ist dem Bedarf in Thüringen aber sehr wahrscheinlich
nicht angemessen. Bereits 2023 schätzte der DGB, dass es in Thüringen an 400
Familienplätzen in Schutzeinrichtungen fehle.[5] Familienplätze entsprechen
dabei einem Frauenplatz und eineinhalb Plätzen für Kinder. Wir fordern deshalb,
dass in Thüringen deutlich mehr neue Plätze sowohl für Gewaltbetroffene als auch
für Kinder in Frauenhäusern geschaffen sowie die Anzahl der Schutzwohnungen
erhöht werden, orientiert an fachlichen Schätzungen zum tatsächlichen Bedarf.
Damit muss auch eine Aufstockung des Personals einhergehen. Die Angestellten in
Frauenhäusern und Schutzwohnungen arbeiten bereits jetzt an der
Belastungsgrenze. Dies ist zum einen aus arbeitnehmer:innenrechtlicher
Perspektive untragbar und zusätzlich mindert es die Qualität der Betreuung von
Betroffenen in den Frauenhäusern und Schutzwohnungen. Darum fordern wir einen
Ausbau des Personals, um die Arbeitsbedingungen in Frauenhäusern und
Schutzwohnungen sowie die Qualität der Betreuung zu verbessern.
2.Ausbau sozialpädagogischer Angebote in Frauenhäusern und Schutzwohnungen.
Es wird häufig in der Debatte nicht mitbedacht, dass in Frauenhäusern und
Schutzwohnungenauch viele Kinder und Jugendliche leben. Im Jahr 2024 hatte jede
dritte Person im Frauenhaus mindestens zwei Kinder, nur 40% der Betroffenen
waren kinderlos.[6] Darum wird auch für Kinder und Jugendliche ein umfassendes
Angebot benötigt, von Räumlichkeiten über Bildungsunterstützung bis hin zu
psychologischer Betreuung. Insbesondere in diesem Bereich sind die Ressourcen
der Frauenhäuser derzeit äußerst begrenzt, weswegen es an Fachpersonal wie
Erzieher:innen fehlt, ebenso wie an kindgerechten Räumen und Angeboten sowie an
adäquater Unterstützung zur Verarbeitung der (mit-)erlebten Gewalt. Deswegen ist
für uns klar: die sozialpädagogische Betreuung für Kinder und Jugendliche in den
Frauenhäusern und Schutzwohnungen muss ausgebaut werden!
3.verpflichtende und tiefgreifende Schulungen zur partnerschaftlichen Gewalt für
zentrale Anlaufstellen, insbesondere Polizei und Justiz.
2024 haben 44% der Betroffenen in Frauenhäusern weder zivil- noch
strafrechtliche Schritte in die Wege geleitet.[7] Zusätzlich dazu kommen noch
alle Fälle häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt, in denen die Betroffenen
keinen Schutz in Frauenhäusern oder Schutzwohnungen suchen. Die Dunkelziffer von
häuslicher oder partnerschaftlicher Gewalt ist sehr hoch. Als Ursache für die
große Zahl an Betroffenen, die keine zivil- oder strafrechtlichen Schritte
wahrnehmen, wird neben persönlichen Abwägungen oder fehlenden Geldmitteln auch
fehlendes Vertrauen in die Justiz genannt. Es ist darum elementar, dass Polizei
und Justiz umfassend über den Umgang mit Opfern häuslicher und
partnerschaftlicher Gewalt geschult werden, damit die nötige Sensibilität
geboten und eine Strafverfolgung der Täter ermöglicht wird. Darum fordern wir
verpflichtende und tiefgreifende Schulungen für Personal der Polizei und Justiz,
sowie anderer zentraler Anlaufstellen.
4.Ausbau der mit den Frauenhäusern und Schutzwohnungen kooperierenden
Infrastruktur, beispielsweise Vermittlungsstellen, medizinische Dienste oder
Sprachvermittlungsdienste.
Für ein umfassendes Auffangnetz für Betroffene sind insbesondere die den
Aufenthalt begleitenden Angebote essenziell. So wurde 2024 der Großteil der
Zugänge zu Frauenhäusern über professionelle Dienste in die Wege geleitet, wie
andere Frauenhäuser, medizinische Dienste, Beratungsdienste, Rechtsanwält:innen
oder das Hilfetelefon. Ebenso notwendig sind Kooperationen mit anderen Stellen
im Falle von chronischen Krankheiten oder Sucht, im Falle pflegebedürftiger
Kinder oder zur Sprachvermittlung.[8] Wir fordern, dass diese Kooperationen
ausgeweitet werden, damit eine professionelle Betreuung der Betroffenen
gewährleistet werden kann.
Begründung:
erfolgt mündlich
