| Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
| Antragsteller*in: | Jusos Erfurt (dort beschlossen am: 18.09.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 18.09.2025, 18:24 |
B6: Demokratie braucht Demokrat:innen
Antragstext
Lebensnahe Alltags- und Beteiligungsbildung für Thüringens Schulen
Demokratie gelingt, wenn Menschen Alltag können und mitgestalten: Anträge
stellen, Rechte und Pflichten verstehen, einfache Steuern und Verträge
einordnen, Vertreter:innen adressieren, Petitionen und Anträge formulieren. Das
kommt im Unterricht oft zu kurz und bleibt theoretisch. Wir wollen eine
verbindliche, praxisnahe Alltags- & Beteiligungsbildung in Thüringen – mit
geschützter Zeit im Lehrplan, echten Übungsaufgaben und verlässlichen
Partner:innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft.
Die Jusos Thüringen fordern die SPD Thüringen und die SPD-Landtagsfraktion auf,
● einen verbindlichen Zeitkorridor „Alltagsbildung & Demokratiepraxis“ in den
Lehrplänen festzuschreiben, damit grundlegende Alltags- und
Beteiligungskompetenzen regelmäßig und praktisch geübt werden;
● die Praxisorientierung verbindlich zu verankern (echte Übungsaufgaben statt
reiner Theorie) und dafür landesweit Materialien, eine sichere Testumgebung
(„Schulmodus“) und Fortbildungsangebote bereitzustellen;
● die Umsetzung schlank zu evaluieren und fortzuschreiben, damit das Format
dauerhaft wirkt, ohne Mehrbürokratie zu erzeugen.
Antragsbegründung
[Dieser Antrag wurde mit der Unterstützung von ChatGPT formuliert]
Demokratische Mündigkeit braucht Alltagskönnen. Friedrich Eberts Satz „Demokratie braucht Demokraten“ richtet den Blick auf Handlungsfähigkeit: Wer Anträge stellen, Fristen einhalten, Bescheide lesen, einfache Steuer- und Sozialversicherungsfragen einordnen und Abgeordnete adressieren kann, nimmt Rechte wahr und trägt Pflichten verlässlich. Genau dieses praktische Können ist die Brücke zwischen demokratischem
Ideal und dem Alltag junger Menschen. Schule ist der einzige Ort, der alle erreicht – unabhängig von Elternhaus, Wohnort oder Geldbeutel. Wenn Schule diese Brücke nicht baut, bleibt sie vielerorts unüberwindbar.
“Nichtwissen“ ist ein Armutstreiber. In vielen Familien fehlt das bürokratische, rechtliche und finanzielle Erfahrungswissen, das nötig ist, um Ansprüche zu erkennen, Fristen zu sichern und Formulare richtig auszufüllen. Das hat Folgen:
● Nichtinanspruchnahme: Anspruchsberechtigte Leistungen werden häufig nicht beantragt – nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil Informationen fehlen, Hürden hoch sind oder Formulare abschrecken. Wer es nicht weiß, verzichtet – und verfestigt so Armut.
● Zeit- und Stresskosten treffen ärmere Haushalte stärker: Wer Schicht arbeitet, Kinder betreut oder mehrere Jobs hat, kann komplexe Verfahren kaum bewältigen. Jeder Fehler kostet Zeit, Geld und Chancen (verpasste Fristen, Mahnkosten, Verlust von Ansprüchen).
● Soziale Reproduktion: Kinder, deren Eltern Alltags- und Amtswissen mitgeben, starten mit Vorsprung. Andere fallen zurück – nicht wegen geringerer Fähigkeit, sondern wegen fehlender Anleitung.
Eine verbindliche Alltags- & Beteiligungsbildung wirkt ausgleichend: Sie demokratisiert Zugang zu Leistungen, senkt Fehlzeiten und verhindert vermeidbare Verschuldung. Das ist Sozialpolitik im besten Sinn – präventiv, wirksam, günstig.
Prävention spart Kosten. Praktische Grundbildung reduziert Verwaltungsaufwand (weniger fehlerhafte Anträge, weniger Widersprüche), Sozialausgaben (weil berechtigte Leistungen früh und korrekt fließen statt später „repariert“ zu werden) und Folgekosten von Überschuldung oder Rechtsstreitigkeiten. Unternehmen profitieren von jungen Beschäftigten, die Lohnabrechnungen verstehen, Rechte kennen und informierte Entscheidungen treffen. Das steigert Produktivität, verringert Ausfallzeiten durch Konflikte und stärkt Vertrauen in Institutionen.
Demokratie lebendig halten. Demokratie ist mehr als Wahlen. Wer in der Schule Anliegen formuliert, eine Abgeordneten-Anfrage stellt, eine Petition schreibt oder einen Antrag im Verein/Initiative einbringt, erfährt: Mitmachen wirkt. Diese Erfahrung senkt die Schwelle, später kommunal, betrieblich oder zivilgesellschaftlich aktiv zu werden. Gerade im ländlichen Raum, wo Schule oft der zentrale öffentliche Ort ist, schafft das
Verbindungen: Jugendparlamente, Gemeinderäte, Vereine, Initiativen – und damit bindet es junge Menschen an ihre Region.
Üben statt Überladen. Der Vorwurf „Der Lehrplan ist voll“ ist ernst zu nehmen – deshalb braucht es einen geschützten Zeitkorridor, der keine „Extrawelt“ schafft, sondern vorhandene Fächer (Sozialkunde, Wirtschaft/Recht, Ethik, Deutsch) konkretisiert. Mit fertigen Bausteinen (Musterbescheide, einfache Formulare, Schritt-für-Schritt-Aufgaben, Bewertungsraster) und kurzen Micro-Fortbildungen werden Lehrkräfte entlastet. Eine sichere Testumgebung („Schulmodus“) ermöglicht Übung ohne Echtdaten. Die Evaluation bleibt schlank: Fokus auf Wirksamkeit (können Schüler:innen einen Widerspruch formulieren? eine Frist erkennen? eine einfache Steuer-/Sozialfrage einordnen? eine adressierte Anfrage verschicken?).
Nachhaltige Wirkung über Jahrzehnte. Alltags- & Beteiligungskompetenzen veralten langsam: Fristen, Rechtsbehelfszeilen, Grundbegriffe von Steuer/Sozialversicherung, die Logik eines Antrags, der Ton eines Abgeordnetenbriefs – das bleibt dauerhaft relevant. Durch eine regelmäßige, leichte Fortschreibung der Materialien (z. B. alle drei Jahre) bleibt der Ansatz aktuell, ohne das System zu belasten. So entsteht eine robuste, langfristige Infrastruktur demokratischer Bildung.
Fazit. Wer will, dass Menschen ihre Rechte nutzen, Pflichten einhalten und mitgestalten, muss ihnen früh die Mittel in die Hand geben. Eine verbindliche, praxisnahe Alltags- & Beteiligungsbildung in Thüringen ist soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und Demokratiepflege zugleich – und damit eine Investition, die über Jahrzehnte trägt.
