| Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
| Status: | Beschluss |
| Beschlossen am: | 12.10.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Arbeitskampf mutig führen: Achtstundentag verteidigen!
Beschlusstext
Die Jusos Thüringen fordern die SPD-Bundestagsfraktion, die Bundesministerin für
Arbeit und Soziales Bärbel Bas und die Bundesjusos auf, sich statt der
Aufweichung des Achtstundentages weiter für die 25-Stunden-Woche einzusetzen.
Die Bundesregierung plant eine angebliche „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit.
Hinter dieser scheinbar modernen Idee verbirgt sich nichts anderes als ein
Angriff auf den Achtstundentag – eine zentrale Errungenschaft der
Arbeiter:innenbewegung. Statt einer verbindlichen täglichen Höchstarbeitszeit
von acht Stunden soll künftig nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von
41 bis 48 Stunden gelten, die frei über die Tage verteilt werden kann. Das
öffnet Tür und Tor für 10-, 12- oder gar 14-Stunden-Schichten.
Schon heute ächzen viele Beschäftigte unter zu langen und unregelmäßigen
Arbeitszeiten. In der Gastronomie, im Gesundheitswesen und in vielen
Schichtbetrieben sind Überstunden und extreme Dienste Alltag. Das Ideal des
Achtstundentages – 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit, 8 Stunden Schlaf – ist
längst aus dem Gleichgewicht geraten. Freizeit schrumpft, weil Arbeitswege und
Pausen dazugerechnet werden müssen. Wer am Limit arbeitet, verliert wertvolle
Zeit für Erholung, Familie, Engagement und Selbstbestimmung.
Dabei ist der Schutz der Arbeitszeit nicht nur eine soziale, sondern auch eine
betriebliche Notwendigkeit. Nach der achten Stunde steigt das Unfallrisiko
rasant, die Fehlerquote nimmt zu, und die Gesundheit der Beschäftigten leidet.
Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Burn-Out sind die Folgen.
Längere Arbeitstage bedeuten keine höhere Produktivität – sie bedeuten
erschöpfte Menschen. Jede Stunde über der achten ist ein Schritt hin zu mehr
Ausfall, weniger Planbarkeit und steigenden Kosten für die Betriebe.
Auf dem SPD-Debattenkonvent 2022 wurde auf Bundesebene bereits der Antrag „Mehr
Zeit für das was zählt – Arbeitszeitverkürzung jetzt!“ beschlossen. Die hier von
den Jusos geforderte Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 25 Stunden wurde
damals angenommen. Im Kampf um Arbeitszeit wurde hiermit ein klarer Impuls für
bessere Arbeits- und Freizeitbedingungen gesetzt.
Das Märchen, die deutsche Wirtschaft leide unter einer zu „faulen“ Bevölkerung,
ist nichts als Klassenpropaganda. Es ignoriert Millionen unbezahlter Überstunden
und die enorme Belastung vieler Beschäftigter. Wer ernsthaft über Arbeitszeiten
sprechen will, muss über gerechte Verteilung von Arbeit sprechen. Dass
Deutschland im europäischen Vergleich weniger Arbeitsstunden aufweist, liegt am
hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten – meist Frauen –, die nebenbei unbezahlte
Care-Arbeit leisten. Eine reale Verbesserung für diese Menschen entsteht nicht
durch längere Arbeitszeiten, sondern durch bessere Betreuung, Pflegeangebote und
faire Löhne.
In dieser Tradition kommt eine Verlängerung der bisherigen Arbeitszeiten nicht
in Frage. Im stetigen Kampf um Arbeitszeit und Lohn für diese, stehen die Jusos
klar gegen die als „Flexibilisierung“ getarnte Verlängerung zur Ausbeutung der
arbeitenden Bevölkerung.
Die Geschichte unserer Bewegung zeigt: Fortschritt kam nie durch längeres
Arbeiten, sondern durch erkämpfte Pausen und verkürzte Werktage. Schon 2022 hat
der SPD-Debattenkonvent mit dem Antrag „Mehr Zeit für das, was zählt –
Arbeitszeitverkürzung jetzt!“ den Weg zur 25-Stunden-Woche eingeschlagen. Daran
halten wir fest. Dieser Weg ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass Arbeit dem
Menschen dienen muss und nicht umgekehrt.
Die Jusos Thüringen fordern deshalb die SPD-Bundestagsfraktion, die
Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas und die Bundesjusos auf,
Für uns ist daher klar: eine Aufweichung des Achtstundentages darf es mit dieser
Partei nicht geben. Dem aktuellen Klassenkampf von oben darf sich nicht gebeugt
werden!
sich entschlossen auf allen Ebenen gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen
jede gesetzliche Aufweichung des Achtstundentages einzusetzen und jede
Ausweitung der täglichen Arbeitszeit klar abzulehnen.
sich statt längerer Arbeitstage für den Einstieg in die
Arbeitszeitverkürzung – mit dem Ziel einer 25-Stunden-Woche bei vollem
Lohnausgleich einzusetzen.
die Arbeitsbedingungen für Teilzeitkräfte deutlich zu verbessern: durch
den Ausbau von Kinderbetreuung, Pflegeangeboten und gute Löhne statt
längerer Arbeitszeiten.
sich für eine moderne, solidarische Arbeitsgesellschaft einzusetzen, die
Freizeit, Gesundheit und Lebensqualität über Profitinteressen stellt -
ohne Zugeständnisse an den Koalitionspartner!
Antragsbegründung
Nach dem neuen Konzept der Bundesregierung sollen die Arbeitszeitregelungen „flexibilisiert“ werden. Statt einer maximalen Arbeitszeit von acht Stunden am Tag, soll die wöchentliche Arbeitszeit flexibel verteilt werden können. Als maximale Wochenarbeitszeit stehen hier 41 bzw. 48 Stunden im Raum, welche flexibel auf deutlich weniger Tage als bislang verteilt werden könnten. Eine komplette Entkopplung von Arbeitstag und Arbeitszeit, als „Flexibilisierung“ getarnt, könnte für die Arbeitnehmer:innen jedoch tägliche Arbeitszeiten von zehn, zwölf oder sogar 14 Stunden zur Folge haben. Dabei sind flexiblere Arbeitszeiten in vielen Bereichen bereits heute möglich. Etwa in der Gastronomie sind es bereits Arbeitszeiten von bis zu 10 Stunden am Tag , im Gesundheitswesen arbeitet das Personal zum Teil in 12- und 24-Stunden-Schichten.
8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit, 8 Stunden Schlaf. Dies ist das Grundkonzept des Achtstundentages. Dabei gehen von der Freizeit bereits die Mittagspause und der Arbeitsweg ab. Freizeit ist dabei schon ein trügerischer Begriff, da diese eigentlich nicht nur der Erholung von der Arbeit dienen sollte . In der Zeit, in der sich Körper und Geist von der Arbeit erholt, besteht noch keine wertige freie Zeit, welche für die eigene Lebensgestaltung, Familie und Selbstverwirklichung bereitsteht. Hierfür ist eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit notwendig.
Betriebs- und personalwirschaftlich macht es Sinn, die Arbeitszeit nicht über 8 Stunden zu verlängern, da die langfristige Personalplanung andernfalls gefährdet wird. Der Mensch ist folglich selbst aus betrieblicher Sicht ein Produktionsfaktor, der zwingend ausreichend Regeneration braucht. Es steigt etwa das Unfallrisiko nach den acht Stunden exponentiell an. Folgen zu langer Arbeitszeiten wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Burn-Out und weitere bedeuten auch für das Unternehmen Ausfall von qualifiziertem Personal. Selbst wenn die aktuellen Regeln zu unflexibel wären: Flexibilisierung auf Kosten menschlicher Gesundheit ist nicht hinnehmbar.
Der Achtstundentag kann nicht dem Argument, man müsse die deutsche Wirtschaft retten, geopfert werden. Die vergangenen politischen Entscheidungen, z. B. in der Rezession zu sparen, dürfen nicht zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen. Das Argument, die deutsche Wirtschaft sei aufgrund einer “faulen” Bevökerung in der jetzigen Situation, ist ökonomisch unterkomplex und ein Schlag ins Gesicht aller arbeitenden Menschen in Deutschland. Es besteht zudem kein Konsens unter Ökonom:innen, dass eine Erhöhung der täglichen Arbeitszeit das Allheilmittel ist. Bislang geleistete für Arbeitgeber:innen – oft kostenlos – geleistete Überstunden werden hier geflissentlich ignoriert.
Die Begründung, dass die Deutschen weniger arbeiten würden, als andere Europäer:innen, hinkt. Diese Annahme wird durch einen hohen Anteil an Teilzeitkräften verfälscht. Möchte man die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland zwingend erhöhen, sollte man sich auf Unterstützung für jene Kräfte fokussieren, denn Teilzeitkräfte leisten nebenbei oft unbezahlte Care-Arbeit. Es könnte Teilzeitkräften durch ein besseres Angebot an Kinderbetreuung und Pflege für Angehörige der Rücken gestärkt werden, um ihnen eine höhere Wochenarbeitszeit zu ermöglichen.
In Arbeitskämpfen geht es letztendlich immer um Zeit. Wie viel persönliche Lebenszeit wird den Arbeitgeber:innen zur Verfügung gestellt und wie teuer wird sie bezahlt. Die Jusos setzen sich hierbei bereits seit Jahren für eine Reduktion der Arbeitszeit und bessere Vergütung ein. Mit einer SPD-Arbeitsministerin darf es daher keine weitere Aufweichung der täglichen Arbeitszeit geben.
