Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2025 |
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Antragsteller*in: | Jusos Jena (dort beschlossen am: 04.09.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.09.2025, 07:55 |
A10: Schule ist Scheiße – nicht mit uns!
Antragstext
Die Jusos Thüringen mögen beschließen:
Die Gemeinschaftsschule in Thüringen zeigt, wie die ideale Schule aussehen kann,
auch wenn sie selbst noch weit entfernt vom Ideal ist. Reformpädagogische
Ansätze sind hierbei immer wieder erfolgreich. Um dem Ideal näher zu rücken,
fordern die Jusos Thüringen daher die SPD Thüringen sowie die Landtagsfraktion
der SPD auf, folgende Maßnahmen umzusetzen, beziehungsweise auf deren Umsetzung
durch das für Bildung zuständige Ministerium hinzuwirken:
Bewertung muss sinnvoll werden!
Leistungsbewertungen dürfen nicht weiter auf Noten beruhen, sondern müssen
ausschließlich in Form von Entwicklungsberichten stattfinden, in denen die
Lehrkräfte differenziert auf die individuellen Stärken und Schwächen der
Schüler:innen eingehen. Schüler:innen und bei Bedarf deren Eltern müssen
außerdem regelmäßig über die schulische Entwicklung informiert werden.
Sozial- und Arbeitsverhalten dürfen nicht bewertet werden, auch hier
müssen schriftliche Berichte geschrieben werden, sowie regelmäßige
Gespräche stattfinden.
Versetzungsentscheidungen aufgrund von schulischer Leistung dürfen nicht
weiter eine Rolle spielen. Jede:r Schüler:in muss versetzt werden.
Unterricht wie vor 100 Jahren?!
Frontaler Fachunterricht soll nicht länger die Norm sein! Unterricht muss
methodisch abwechslungsreich und fächerübergreifend stattfinden. Dazu
müssen den Lehrkräften in der Aus- und Weiterbildung moderne, vielfältige
Lehrmethoden nähergebracht werden.
Schüler:innen müssen unabhängig von Förderbedarf oder schulischer Leistung
gemeinsam unterrichtet werden.
Binnendifferenzierung, projektorientiertes Arbeiten und selbstbestimmtes
Lernen müssen hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Lehrkräfte brauchen Freiraum!
Das Lehramtsstudium muss neu gedacht werden. Student:innen müssen eine
praxisnahe pädagogische Ausbildung erhalten, anstatt zwei Fachstudien zu
absolvieren. Insbesondere muss hierbei der Fokus auf reformpädagogische
Ansätze gelegt werden.
Jede Schule braucht ausreichend Schulverwaltungskräfte,
Schulassistenzkräfte und Schulsozialarbeiter:innen.
Schulen müssen ausreichend Lehrkraftstellen haben, nicht nur um den
Unterricht zu füllen, sondern auch Freiraum für Schulentwicklung und ein
außerunterrichtliches Angebot sicherzustellen. Deshalb muss die
Unterrichtsabdeckung deutlich über 100% hinausgehen.
Mehr Daten über Bildung!
Es muss mehr Geld in Bildungsforschung investiert werden!
Die Art und Weise wie Unterrichtet wird und Schule funktioniert, muss an
die Forschungsergebnisse angepasst werden.
Lehrkräfte müssen Fortbildungen erhalten, sodass sie immer zeitgemäßen
Unterricht geben können.
Begründung
Der Koalitionsvertrag verspricht eine Schule, in der “Leistungen wertgeschätzt werden”. Das heißt im Umkehrschluss allerdings nichts anderes, dass Schüler:innen, die nicht so gute Leistungen vollbringen können, weniger Wertgeschätzt werden. Der Koalitionsvertrag zeigt im Bildungsbereich kaum willen zur Innovation und würde in einigen Bereichen Rückschritte für Thüringen bedeuten:
Bewertung
Die Zwecke, die Noten erfüllen sollen, wie zum Beispiel Vergleichbarkeit oder objektive Bewertung, erfüllen sie nicht. Die Bewertung hängt von der Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler:in, der sozialen Herkunft, des Geschlechts und vielen weiteren Faktoren ab. Auch hängen sie vom Leistungsstand des Rests der Klasse ab und gehören zu den verbreitetsten Angstauslösern für Kinder. Es zeigt sich also, Noten haben kaum Mehrwert, erheben aber den Anspruch dazu, im Gegenteil haben sie nachgewiesenerweise negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Sie wirken nur motivierend, wenn sie gut sind, hingegen allerdings demotivierend, wenn sie schlecht sind. Differenzierte, individuelle Rückmeldungen hingegen führen zu Leistungssteigerungen gegenüber traditionellen Notenformen.
Die Vergabe von Kopfnoten zeigt keine Verbesserungen im Sozialverhalten und ähnlichem, keinen Einfluss auf den beruflichen Erfolg nach der Schulzeit oder das Unterrichtsklima. Keine wissenschaftliche Untersuchung konnte ihnen einen Mehrwert zuordnen. Differenziertes Feedback und Gespräche über das Verhalten der Schüler:innen zeigen im Gegensatz dazu immer wieder Verbesserungen in der sozialen Akzeptanz, dem Sozialverhalten und der schulischen Leistung und Motivation der Schüler:innen.
Das Wiederholen einer Klasse führt nicht zu einem langfristigen Aufholen der Leistungen über das Wiederholungsjahr hinaus. Langfristig sind die Leistungen der Sitzengebliebenen in einigen Studien schlechter als die von Gleichaltrigen mit ähnlichen Leistungen, die allerdings versetzt wurden. Ausnahmen bilden hierbei Schüler:innen, die aus Leistungsunabhängigen Faktoren, wie zum Beispiel aufgrund langfristiger Krankheit, wiederholen. Zusätzlich kostet es den Staat sehr viel Geld, Schüler:innen wiederholen zu lassen.
Zusammenfassend hat die Art und Weise, wie die Schüler:innen bewertet werden, keine wissenschaftliche Grundlage, sondern stellt sich oft genug gegen sie. Dies gilt es zu beheben!
Unterricht
Die Effektivität von aktivem Lernen gegenüber Frontalunterricht wird in Studien in vielen Fächern belegt. Die Schüler:innen, die in den Unterricht integriert und zu eigenständigem Handeln incentiviert werden, zeigen ein besseres Verständnis der Inhalte und größere Motivation. Projektorientierter Unterricht verbessert außerdem kreative und Problemlöse-Fähigkeiten. Frontalunterricht zeigt zwar bessere Ergebnisse in Wissensabfragen, allerdings sollte es nicht das Ziel der Schule sein, möglichst viel Wissen zu vermitteln.
Äußere Differenzierung, wie sie durch die Trennung in verschieden Schularten oder in verschiedene Klassen auf Basis der Leistung stattfindet, führt bei den leistungsschwächeren Schüler:innen zu einem Rückgang in schulischen Leistungen gegenüber Schüler:innen, die binnendifferenziert unterrichtet werden. So wird nur ein Leistungsungleichgewicht gefördert. Innere Differenzierung hingegen liefert insbesondere bei leistungsschwächeren Schüler:innen bessere Ergebnisse. Wenn Ansätze der äußeren Differenzierung positive Ergebnisse zeigen, muss die Differenzierung nach Themen und Fächern angepasst werden, was gegen die Differenzierung in Form von Schularten spricht.
Zusammenfassend ist der Unterricht, wie er aktuell durchgeführt wird, wenig wissenschaftlich basiert, es gibt Methoden, die auch schon bspw. an reformpädagogischen Schulen umgesetzt werden, die erfolgreicher scheinen.
Lehrkräfte
So zu unterrichten, wie es unter “Unterricht wie vor 100 Jahren?!” gefordert wird, erfordert gesonderte Fähigkeiten. Binnendifferenzierung ist etwas, was nicht jede Lehrkraft kann. Insofern müssen sie speziell hierfür ausgebildet oder fortgebildet werden. Der fachliche Anteil in diesen Studiengängen ist nicht sinnvoll, stattdessen müssen die pädagogischen Fähigkeiten gefördert werden.
Neben den unterrichtlichen Aufgaben müssen Lehrkräfte in Schulen viele weitere Aufgaben übernehmen. Dabei müssen angesichts des Lehrkräftemangels so viele Aufgaben wie sinnvoll an andere Menschen übertragen werden. Verwaltungsaufgaben wie das Planen und Buchen einer Klassenfahrt, die Verwaltung der Lehrmittelbibliothek oder das Einladen für eine Elternkonferenz sind Aufgaben, die keine Lehrkraft machen müssen. Hierbei können und müssen sie von Schulverwaltungskräften unterstützt werden. Bisher sind diese allerdings nicht in Schulen eingeplant. Schulsozialarbeiter:innen und Schulassistenzkräfte sind explizit im Koalitionsvertrag erwähnt.
An Schulen entfallen im Mittel über 10% der Unterrichtsstunden. Dies könnte verbessert werden, wenn den Schulen mehr Planstellen zugewiesen werden, als zur Abdeckung des Unterrichts notwendig wäre. So könnten Lehrkräfte kranke Kolleg:innen vertreten, ohne die eigenen Klassen zu vernachlässigen. Außerdem benötigen reformpädagogische Schulen und TGS mehr Lehrkräfte, um die pädagogischen Konzepte umsetzen zu können und die Schule weiterentwickeln zu können. Stattdessen kürzt das Ministerium an TGS die Stunden, die zu außerunterrichtlichen Tätigkeiten verwendet werden können.
Zusammenfassend zeigt die aktuelle Situation in Thüringen, dass die Unterrichtsabdeckung weiterhin unzureichend ist, da die Zahl der besetzten Lehrkräfteplanstellen unter dem tatsächlichen Bedarf liegt, der Bedarf kann allerdings durch Schulverwaltungskräfte und multiprofessionelle Teams reduziert werden.
Forschung
Ausführliche Studien, die bspw. Unterrichtsmethoden vergleichen sind sehr selten, deutsche Studien sind noch seltener, auch die, auf die sich in dieser Begründung bezogen wurden, sind teilweise die einzigen in den Bereichen, die auch nur relativ geringe Stichprobengrößen haben. Das muss verbessert werden, um Bildung zu optimieren, ist eine ausführliche Datenlage notwendig.
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