Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
Antragsteller*in: | Jusos Sömmerda (dort beschlossen am: 10.09.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.09.2025, 16:29 |
A21: Gehaltsverhandlungen auf Augenhöhe - Auskunftsrecht für Arbeitnehmer
Antragstext
Die Jusos Thüringen fordern, dass sich die SPD Thüringen auf Bundesebene für ein
Auskunftsrecht für Mitarbeitende, Interessenvertretungen und Gewerkschaften über
die aktuelle Finanzlage und Gewinnverwendung des Arbeitgebers einsetzt. Dieses
Recht beschränkt sich auf die Vorbereitung und Durchführung von
Gehaltsverhandlungen.
Antragsbegründung
Mit dem neuen Auskunftsrecht erhalten Beschäftigte sowie ihre Interessenvertretungen einen direkten Einblick in die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens. Bisher gibt es solche Rechte nur eingeschränkt: Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 80 Abs. 2 BetrVG) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über wirtschaftliche Angelegenheiten informieren, und in Betrieben ab 100 Beschäftigten gibt es mit dem Wirtschaftsausschuss (§§ 106 ff. BetrVG) ein noch genaueres Informationsrecht. Doch diese Regelungen greifen nur dort, wo ein Betriebsrat existiert und die Betriebsgröße groß genug ist. Das bedeutet: Ein erheblicher Teil der Beschäftigten, vor allem in kleineren Betrieben oder ohne Betriebsrat, bleibt ohne jede Auskunftsmöglichkeit.
Auch die handelsrechtlichen Offenlegungspflichten nach dem HGB helfen kaum weiter. Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG) zeigen nur die Verhältnisse vergangener Geschäftsjahre. Einzelunternehmen und viele Personengesellschaften müssen ihre Ergebnisse dagegen gar nicht veröffentlichen. Für aktuelle Lohn- und Gehaltsverhandlungen fehlen den Beschäftigten damit fast alle verlässlichen Daten.
Das neue Auskunftsrecht soll deshalb für alle Betriebe und unabhängig von Betriebsgröße oder Rechtsform gelten. Es soll sich nicht nur auf Kennzahlen wie Umsätze und Gewinne beschränken, sondern auch auf deren Verwendung. Beschäftigte und ihre Vertretungen sollen wissen, wie viel in den Betrieb zurückfließt, wie viel als Rücklagen gebildet wird und welcher Betrag an Eigentümer:innen ausgeschüttet wird. Damit erhält man ein klares Bild, wie die gemeinsam erarbeitete Wertschöpfung verteilt wird. Die Privatsphäre einzelner Unternehmer:innen wird dennoch gewahrt, da keine individuellen Privatentnahmen offengelegt werden müssen, sondern nur die Gesamtsummen der Gewinnverwendung.
Dass wir mehr Transparenz brauchen, zeigen die Zahlen: Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Beschäftigten liegt bei etwa 50.000 €, die Reallöhne sind seit 2019 aber gerade einmal um 0,7 % gestiegen. Gleichzeitig konnten Vorstände und Unternehmensleitungen ihre Realeinkommen im selben Zeitraum um über 20 % erhöhen. Hinzu kommt die deutlich gesunkene Tarifbindung: Lag sie im Jahr 2000 noch bei rund 70 % aller Betriebe, ist sie heute auf nur noch 50 % gefallen, in Ostdeutschland sogar auf 42 %.
Mit diesem Auskunftsrecht schließen wir die Lücke, die das Betriebsverfassungsgesetz und die handelsrechtlichen Publizitätspflichten bisher lassen. Wir stärken gerade auch die nicht organisierten Arbeitnehmer:innen, schaffen mehr Augenhöhe in Verhandlungen über Löhne und verhindern, dass sich die Schere zwischen Arbeits- und Unternehmenseinkommen weiter öffnet. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur weiteren Emanzipation der Arbeiternehmer:innen