Veranstaltung: | Landeskonferenz 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 10 Antragsberatung |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesvorstand |
Beschlossen am: | 28.09.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Umweltfreundliche Landwirtschaft in Thüringen: Unser Weg, der Thüringer Weg!
Beschlusstext
Beschlusstext:
Wir Jusos Thüringen fordern die Ausarbeitung eines “Thüringer Wegs” für eine
zukunftsfähige Landwirtschaft nach dem Vorbild des “Niedersächsischen Wegs”.
Dieser soll Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaftspraktiken, zum
Schutz der Biodiversität und zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen
umfassen, die in enger Kooperation mit Landwirt:innen, Naturschutzorganisationen
und der Zivilgesellschaft ausgearbeitet und umgesetzt werden sollen. Konkret
fordern wir, dass folgende Maßnahmen in einem auf Thüringen angepassten Umfang
umgesetzt werden:
In das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes soll
arten- und strukturreiches Dauergrünland als gesetzlich geschützter Biotyp
aufgenommen werden.
Zur Betreuung der Natura-2000-Gebiete, welche ca. 17 Prozent der Fläche
Thüringens bedecken, sollen mehr Mittel aus dem Landeshaushalt
ausgeschüttet werden. So soll eine naturschutzfachlich qualifizierte
Betreuung der Flächen ausgeweitet werden. Zudem sollen weitere
Einrichtungen zur Betreuung der Natura-2000-Gebiete geschaffen werden.
Damit Thüringen als Grünes Herz Deutschlands Vorreiter im Naturschutz
werden kann, sollen 20 Prozent der Landesfläche bindend für einen
landesweiten Biotopverbund genutzt werden. So erhalten wir
Ökosystemdienstleistungen und gewähren Biodiversitätsschutz.
Umsetzung des Waldstrategiepapiers des BUND “Wald für Thüringen 2100”.
Dabei soll auch auf folgende Forderungen des BUND Thüringen eingegangen
werden:a.: Die Leistungen der hiesigen Wälder für das Gemeinwohl müssen an
erster Stelle stehen. Die Holzproduktion ist diesem Ziel
unterzuordnen.b.: ThüringenForst als größter Waldbesitzer muss von den Zwängen der
Eigenfinanzierung freigestellt werden.c.: Für die Privatwaldbesitzer:innen von Kleinwaldflächen von nicht
mehr als 200 Hektar sind Förderprogramme anzubieten, die es ihnen
ermöglichen, die in ihren Wäldern entstandenen Schäden im
ökologischen Sinne zu reparieren.d.: Der Einsatz von Gift im Wald ist ausnahmslos zu unterlassen
Ein Programm zur Erhaltung und Wiederherstellung der Insektenvielfalt soll
ausgearbeitet werden.
Für den Freistaat Thüringen soll alle fünf Jahre eine aktualisierte Rote
Liste erstellt werden.
Bis 2029 soll eine flächendeckende Beratung der Landwirt:innen für einen
verbesserten Schutz der Biotope und Arten erarbeitet werden. Die
staatliche Förderung für die Wahrnehmung von Beratungsangeboten soll von
bisher maximal 2000€ netto auf maximal 3500€ netto erhöht werden.
Die Neuversiegelung von Flächen soll bis 2045 stückweise auf Netto-Null
reduziert werden.
Um Arten und Klima zu schützen, soll Folgendes besonders gefördert werden:
a.: Erarbeitung von Methoden zur Verringerung der Nutzung von
Pestiziden und klimaschädlichen Düngemitteln wie Distickstoff. Für
die Nutzung pestizidfreier Anbaumethoden sollen finanzielle Anreize
z.B. durch Subventionen oder Förderungsprogramme gesetzt werden.b.: die ökologische Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen
c.: Humusaufbau und Methoden der Bewirtschaftung, die das Bodenleben
fördern und erhaltend.: Errichtung und Instandhaltung von Blühstreifen mit heimischen
Pflanzenarten
Der Ökolandbau in Thüringen muss ausgeweitet werden. Mit 7,5 Prozent aller
landwirtschaftlichen Flächen, die ökologisch bewirtschaftet werden, liegt
der Freistaat Thüringen klar unter dem Bundesdurchschnitt von 11,2
Prozent. Bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent aller Flächen für den
Ökolandbau genutzt werden. Dafür sollen die Landwirt:innen insbesondere in
den Bereich Lagerung, Vermarktung und Verarbeitung unterstützt werden.
Darüber hinaus soll der Staat dabei helfen, finanzielle Verluste, die beim
Umstieg von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft entstehen, zu
kompensieren.
Antragsbegründung
Die Landwirtschaft spielt eine zentrale Rolle in der Klimakrise. Sie ist sowohl Verursacherin als auch Betroffene des Klimawandels. Global betrachtet sind 37 Prozent der Treibhausgasemissionen auf das Ernährungssystem zurückzuführen. In Deutschland entfallen 8,3 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Landwirtschaft. Während in anderen Branchen seit 2007 deutliche Fortschritte bei der Reduzierung von Emissionen erzielt wurden, ist der Rückgang im Agrarsektor nur minimal. Dies führt dazu, dass der relative Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtemissionen kontinuierlich ansteigt.
Die fortschreitende Erderwärmung hat bereits heute spürbare Auswirkungen, darunter ein dramatisches Artensterben. In Deutschland sind in den letzten 30 Jahren rund 75 Prozent der Insektenarten verschwunden – Arten, deren Bestäubungsleistung für die Landwirtschaft unverzichtbar ist. In einigen Regionen der Welt ist man bereits auf manuelle Bestäubung angewiesen, eine Entwicklung, die es hierzulande zu vermeiden gilt.
Die historische Dürreperiode von 2018 bis 2020, die weite Teile Zentraleuropas und auch Deutschland betraf, führte zu erheblichen Ernteausfällen, austrocknenden Böden bis in tiefe Schichten und bedrohte unsere Grundwasservorräte. Angesichts einer prognostizierten Erderwärmung von 2,9 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 werden sich solche Extremwetterereignisse zukünftig häufen und uns sowie kommende Generationen vor existenzielle Herausforderungen stellen.
Für eine lebenswerte Zukunft ist daher sofortiges Handeln auf allen Ebenen unerlässlich. Insbesondere die Landwirtschaft ist in der Verantwortung, ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu leisten. Durch die Einführung nachhaltiger Praktiken kann sie entscheidend zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zum Schutz der Biodiversität beitragen. Ein Vorbild bietet der "Niedersächsische Weg", eine bundesweit einzigartige Vereinbarung zwischen Politik, Umweltverbänden und Landwirt:innen. Er demonstriert, wie erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur:innen mit teils unterschiedlichen Interessen funktionieren und positive Veränderung erwirken kann.
Zu den Maßnahmen des "Niedersächsischen Wegs" zählen unter anderem der Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds, ein Pflanzenschutzmittelreduktionsprogramm zum Schutz von Insekten sowie die Begrenzung der Neuversiegelung von Flächen. Diese Initiativen ebnen Niedersachsen den Weg in eine nachhaltigere Zukunft. Ein vergleichbarer „Thüringer Weg“ könnte diese Ansätze auf unsere Region übertragen und die Landwirtschaft in Thüringen langfristig klimafreundlicher sowie unsere Ökosysteme krisenresistenter machen.
Um Umweltschutz gesamtgesellschaftlich zu denken, braucht es genau solche Programme, die vielschichtige Themen ansprechen und dabei die Stimmen zahlreicher Interessengruppen berücksichtigen. Ein „Thüringer Weg“, initiiert von der Politik, durchgesetzt in Abstimmung mit Umweltverbänden und Landwirt:innen wäre genau ein solches Programm.
Durch die Integration von Landwirtschaft, Naturschutz, Tierschutz und Klimaschutz können wir sowohl unsere natürlichen Lebensgrundlagen bewahren als auch die wirtschaftliche Zukunft der thüringischen Landwirtschaft sichern.