Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Leitantrag und Initativanträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landeskonferenz |
Eingereicht: | 17.06.2022, 21:57 |
Initiativantrag Klimaschutzgesetz novellieren statt abschaffen: Ambition erhöhen, Planbarkeit stärken und Rechtsverbindlichkeit durchsetzen
Beschlusstext
Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung unserer Generation. Er stellt
uns als Sozialdemokrat:innen und Gesellschaft vor zahlreiche Herausforderungen.
Von der sozialen Gestaltung der Energiewende über eine völlige Neuordnung des
Verkehrssystems bis zur Einhaltung der Pariser Klimaziele gibt es zahllose
Aspekte, die wir umsetzen und gestalten müssen.
Die bestehenden Gesetze zum Klimaschutz, darunter auch das Klimaschutzgesetz
(KSG), werden diesem Anspruch nicht in ausreichendem Maße gerecht: Zwar legt das
KSG jahresscharfe Klimaschutzziele für das gesamte Land, wie auch für einzelne
Sektoren, fest, jedoch sind weder die Zielsetzungen noch der
Umsetzungsmechanismus ausreichend um vorausschauend und planbar Emissionen zu
senken. Überschreitet ein Sektor seine zulässigen Jahres-Emissionsmengen muss
das zuständige Ministerium innerhalb von drei Monaten in Abstimmung mit dem
Expertenrat für Klimafragen ein Sofortprogramm vorlegen, um die Ziele in den
nächsten Jahren wieder zu erreichen. Die zu viel ausgestoßenen Emissionen eines
Jahres werden dann von den zulässigen Emissionen der Folgejahre abgezogen, bis
die Ziele wieder erreicht werden.
Dieses Vorgehen schafft zwar planbaren Fortschritt in allen Sektoren hat sich in
der Vergangenheit aber als realitätsfern erwiesen: So wurde das
Klimaschutzsofortprogramm für das Jahr 2020 erst mit deutlicher Verzögerung und
gegen den Willen des Expertenrats für Klimafragen beschlossen und hat bis heute
nicht zur Wiedereinhaltung der entsprechenden Ziele geführt. Eilig
zusammengeschriebene und teure Sofortprogramme in jedem Jahr machen deshalb
keinen Sinn. Stattdessen braucht es eine langfristigere Anpassung von
Politikmaßnahmen und ein regelmäßiges Monitoring auf ihre Wirksamkeit.
Außerdem hat das KSG hat ein Rechtsschutzproblem. Bürger:innen ist es gemäß § 4
Abs. 1 S. 7 KSG verwehrt Verstöße gegen das KSG vor Gericht zu bringen. Damit
sind insbesondere die Möglichkeiten, jüngerer und von Armut bedrohter oder
betroffener Menschen, ihre Rechte mit Blick auf den Klimaschutz zu verfolgen,
erheblich eingeschränkt.
Mit den Festlegungen des Fit-For-55-Pakets auf Ebene der Europäischen Union und
Veränderungen in den Bundesländern stellt sich zudem immer mehr die Frage nach
der Angemessenheit der Zielsetzungen des deutschen Klimaschutzgesetzes: So
strebt die Bundesrepublik Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 an, während
gleichzeitig vier Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz,
Mecklenburg-Vorpommern) Klimaneutralität bereits bis spätestens 2040 anstreben.
Darüber hinaus kommen die Zielsetzungen der Europäischen Union, die zwar das
Zieljahr 2050 anstreben, aber mit Blick auf den Lastenteilungsmechanismus
(Effort Sharing) zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bereits zu früheren
Emissionsminderungen und dem Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland
führen wird. Es bedarf also erneut einer Anpassung der Ziele, um tatsächlich
einen fairen Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels leisten zu können!
Unabhängig davon können Festlegungen im Klimaschutzgesetz nur den übergeordneten
Rahmen für die Erreichung von Klimaschutzzielen darstellen und Konsens zwischen
allen staatstragenden Parteien sein. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen kann und
sollte jedoch auch in Zukunft in den Bereich anderer Gesetze und Verordnungen
fallen und nicht mit dem Klimaschutzgesetz vermischt werden.
Wir fordern daher, das Klimaschutzgesetz zu novellieren und insbesondere
folgende Punkte zu berücksichtigen:
- die Verschärfung der Klimaschutzziele: Statt wie bisher eine
Treibhausgasreduktion um 65% bis 2030 (ggü. 1990) anzustreben, muss das
Ziel auf mindestens 70% - 75% erhöht werden und das Zieljahr der
Klimaneutralität von heute 2045 auf einen Zielkorridor zwischen 2035 und
2040 festgelegt werden. Die zulässigen sektorspezifischen
Jahresemissionsmengen werden entsprechend angepasst.
- die Anpassung des Sofortprogramm-Mechanismus: Die jährlichen
Sofortprogramme bei Zielverfehlung in einem Sektor sollen durch ein
vorausschauendes, sektorübergreifendes Sofortprogramm auf Basis des
zweijährlichen Prognoseberichts des Umweltbundesamtes zu Fortschritten im
Klimaschutz ersetzt werden. Denn statt bloß nachzubessern, wollen wir
Zielverfehlungen von vornherein vermeiden!
- Bürger:innen müssen die Möglichkeit haben, Verstöße gegen das
Klimaschutzgesetz vor Gericht zu beklagen und so aktive Veränderungen des
Regierungshandelns zu erwirken.
Begründung
Die Ampel-Koalition hat von der letzten Bundesregierung ein großes Pfand in Sachen Klimaschutz geerbt: Deutschland hat seine Treibhausgasemissionen seit 1990 um nicht einmal 40% gesenkt und ist auf dem besten Weg seine zukünftigen Klimaziele zu verfehlen - und selbst die sind noch nicht einmal ausreichend!
Deshalb wird in der Bundesregierung gerade über ein neues Klimaschutzsofortprogramm diskutiert, um die dringendsten Gesetzesänderungen noch vor der Sommerpause auf den Weg zu bringen. Doch statt konstruktiv an der Überwindung der Klimakrise zu arbeiten torpediert die FDP die Arbeit an dem Programm. Insbesondere das Klimaschutzgesetz wird dabei von Lindner und Co. immer wieder torpediert und soll nach deren Vorstellung am liebsten auf ein Minimum zurückgefahren oder gar ganz abgeschafft werden. Dem stellen wir uns klar entgegen!
Statt der Aufweichung des Klimaschutzgesetzes wollen wir einen klaren Rahmen schaffen, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen und mit einem ambitionierten Sofortprogramm unverzüglich in allen Bereichen die Weichen zu stellen, um endlich ins Handeln zu kommen!