Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Leitantrag und Initativanträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesvorstand |
Beschlossen am: | 18.06.2022 |
Eingereicht: | 16.06.2022, 18:39 |
Blühende Landschaften - schaffen wir selbst!
Beschlusstext
Politik für die 90 Prozent
Lebensmittel werden immer teurer, Energiepreise explodieren und Mietpreise gehen
durch die Decke.
Von Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland oder Thüringen kann nicht die Rede
sein. Und die Chancengleichheit aller (jungen) Menschen existiert nur auf dem
Papier. Beides hängt noch immer davon ab, aus welchem Elternhaus du kommst und
an welchem Ort du geboren und aufgewachsen bist. Als Jusos Thüringen können und
werden wir uns damit nicht abfinden.
Diese und andere Ungerechtigkeiten treten gerade in Krisenzeiten offen zu Tage.
Die extremen Preisanstiege und die deutliche Teuerung der Lebenshaltungskosten
betreffen insbesondere prekarisierte Gruppen. Sie waren es, die im Winter wegen
der hohen Heizkosten gefroren haben, sie sind es, die sich den Sprit für den
Arbeitsweg nicht mehr leisten können und die beim Einkauf der Lebensmittel
sparen müssen.
Die Folgen der Corona-Pandemie und nicht zuletzt des russischen Angriffskrieges
auf die Ukraine zerstören den letzten Funken des Aufstiegsversprechens, das aus
verschiedensten politischen Richtungen seit Jahrzehnten postuliert wurde. Dieses
angebliche Versprechen ist in der Realität an Voraussetzungen geknüpft, die
nicht alle erfüllen können: soziale und wirtschaftliche Herkunft, Geburts- bzw.
Wohnort und Geschlecht. Das sind allerdings keine Naturgesetze: Was von Menschen
geschaffen wurde, kann auch von Menschen verändert werden. Als Jusos wollen wir
das gute Leben für alle - bedingungslos.
Bereits vor Corona waren 1,65 Mio. Menschen in Deutschland auf die regelmäßige
Versorgung durch die Tafeln angewiesen. Währenddessen halten die reichsten 10
Prozent der Bevölkerung zwei Drittel des Gesamtvermögens. Im Verlauf der
Coronakrise setzte sich diese Entwicklung noch extremer fort: Die Superreichen
vermehrten ihren Besitz, Ärmere blieben auf der Strecke. Es zeigt sich einmal
mehr, das Wenige von den systematischen Bedingungen übermäßig profitieren, aber
kaum zum gesamtgesellschaftlichen Wohlstand beitragen. Die Schere zwischen arm
und reich wurde mittlerweile soweit gebogen, dass sie vor unseren Augen
zerbrochen ist.
Das Problem heißt Kapitalismus - und ist allseits bekannt. Die Lösung muss in
seiner Überwindung liegen.
Daher unterstützen wir den Vorschlag, ein Grunderbe einzuführen, das allen 18-
Jährigen bindungslos zur Verfügung gestellt und durch eine deutlich erhöhte
Erbschaftsteuer finanziert wird. Für eine wirkliche Umverteilung fordern wir ein
allgemeines Grunderbe von mindestens 60.000 Euro. In Deutschland werden jährlich
rund 400 Milliarden Euro vererbt, aber lediglich 0,2 Prozent gehen davon aktuell
an den Staat bzw. die Gemeinschaft zurück. Diesen Zustand nehmen wir nicht
länger hin. Mit normaler Lohnarbeit ist kein Vermögensaufbau mehr möglich, viele
Lebenschancen bleiben verwehrt. Ungeachtet der Lebensleistung werden bestimmte
Personengruppen systematisch von dem existierenden Wohlstand abgeschnitten. Dazu
zählen insbesondere Menschen in Ostdeutschland und Migrant:innen.
Auch Überlegungen für gesonderte Vermögensabgaben helfen dem Ziel der
Umverteilung. Die viel diskutierte Übergewinnsteuer könnte sofort greifen und
Krisengewinner:innen verpflichten, einen gerechten Beitrag an die Gemeinschaft
zurückzugeben. Aber auch weitere einmalige Vermögensabgaben als Corona-Soli sind
notwendig für wirkliche Umverteilung.
Ohne eine Abkehr von der kapitalistischen Logik der Gewinn- und
Vermögensmaximierung bekommen wir keine blühenden Landschaften.
Geiz ist nicht geil - besonders für den Staat
Eine besondere Form des Verteilungskampfes zeigt sich im Umgang mit den
staatlichen Finanzen und im Mantra des selbst auferlegten Spardiktats. Anstatt
über öffentliche Investitionen soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit
herbeizuführen, wird eine neoliberale Erzählung hochgehalten: Die Schulden von
heute, müsse die Generation von morgen zurückzahlen. Die jungsozialistische
Perspektive zeigt allerdings, dass es die Investitionen von heute sind, die uns
morgen doppelte Kosten ersparen.
Der jüngste und ein besonders bitterer Ausläufer der neoliberalen Spardogmatik
zeigt sich im diesjährigen Landeshaushalt Thüringens. Hier erzwang die
destruktive Opposition eine Globale Minderausgabe, die dafür sorgt, das
reihenweise Projekte, Fördermöglichkeiten und Investitionen auf Eis gelegt
werden. Leidtragende sind besonders Menschen, die auf die staatliche
Unterstützung angewiesen sind. Als Jusos Thüringen lehnen wir derartige
Instrumente strikt ab.
Aber auch die SPD ist in den vergangenen Jahrzehnten dem Spardiktat verfallen.
Die sogenannte Schuldenbremse wurde in der Zeit der Großen Koalition eingeführt
und beschränkt seitdem die Flexibilität öffentlicher Ausgaben und Investitionen
für Bund und Länder. Der konservative Traum eines schlanken Staates, der
dauerhaft mit einer schwarzen Null arbeitet, war immer falsch. Diese künstliche
Haushaltsdisziplin verhindert nachhaltiges Wirtschaften und Investieren.
Dass es auch anders geht, haben wir in den letzten beiden Jahren gesehen. Für
uns ist klar: Ansparen gegen Krisen funktioniert nicht. Aber hier haben Union
und Liberale noch einige Volkswirtschaftskurse nötig.
Als Jusos Thüringen sprechen wir uns klar gegen die künstliche Schwarze Null aus
- im Bund ebenso wie in Thüringen. Dafür gilt es zunächst, die Schuldenbremse
aus dem Grundgesetz zu tilgen, denn eigentlich ist sie eine Investitionsbremse.
Wir wollen eine Haushaltsdisziplin, die sich an der Beseitigung von
Ungerechtigkeiten orientiert. Die zwingend notwendigen Investitionen auf allen
staatlichen Ebenen brauchen wir jetzt.
Beispielhaft seien an dieser Stelle der Bildungssektor und die Infrastruktur
genannt, in denen massive milliardenschwere Investitionen notwendig und seit
Jahren überfällig sind. Statt Flickschusterei braucht es hier den großen Ansatz.
Die blühenden Landschaften schenkt uns niemand. Schaffen wir sie selbst.