Antrag LaKo: | Zeit für einen Klimakanzler! |
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Antragsteller*in: | KV Südthüringen (dort beschlossen am: 30.10.2021) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 30.10.2021, 11:04 |
Ä3 zu A2NEU4: Zeit für einen Klimakanzler!
Antragstext
Von Zeile 22 bis 23 einfügen:
ihren Fleischkonsum reduzieren oder vom Auto auf die Bahn umsteigen, ist das zwar ein wichtiger Beitrag.Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir wollen deshalb die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B.
Nach Zeile 31 einfügen:
Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Warum wir für Klimagerechtigkeit kämpfen
Stürme, Dürren, Brände: Laut Weltwetterorganisation tritt Extremwetter heute
vier bis fünfmal häufiger auf als noch in den 1970er-Jahren. Bei der
Flutkatastrophe im vergangenen Juli kamen in Deutschland knapp 200 Menschen ums
Leben, das Hochwasser verursachte Schäden in Milliardenhöhe. - Der
menschengemachte Klimawandel und seine Auswirkungen gehören längst zu unserem
Alltag.
Deshalb haben sich 2015 194 Staaten und die Europäische Union mit dem Pariser
Abkommen auf einen Neustart in der internationalen Klimapolitik geeinigt und
streben an, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2
Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und Anstrengungen zu
unternehmen, um den Temperaturanstieg bei 1,5 Grad zu stoppen. Dennoch warnt der
Weltklimarat (IPCC): Bereits 2030 könnte sich der Planet im Vergleich zum
vorindustriellen Zeitalter um 1,5 Grad erwärmt haben – deutlich schneller also,
als man bisher angenommen hatte!
Die Klimakrise ist für uns eine Gerechtigkeitskrise: Während die
Industriestaaten maßgeblich zur Erderwärmung beigetragen haben und dies immer
noch tun, sind die Hauptbetroffenen die Menschen des globalen Südens.
Klimaschutz ist für uns zuallererst ein gewaltiges Industrieprojekt. Wir wehren
uns dagegen, die Verantwortung für den Klimaschutz auf Einzelpersonen
abzuwälzen. Wenn Menschen ihr Verhalten klimabewusst ändern, beispielsweise
ihren Fleischkonsum reduzieren oder vom Auto auf die Bahn umsteigen, ist das
zwar ein wichtiger Beitrag.Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir wollen deshalb die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B.
Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter
sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges
Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung
ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe, bei der wir die
Kommunen als Träger:innen der Bildungseinrichtungen gewinnen wollen, die Bildung
für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B. Schulen,
Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen
Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Gleichzeitig wissen wir, dass die Klimakrise nur bewältigt werden kann, wenn wir
unsere Wirtschaft klimaneutral umbauen. Wir stehen vor einer neuen industriellen
Revolution, die fossile Wirtschaftsstrukturen überwinden und gute Arbeit in
einer dekarbonisierten Wirtschaft ermöglichen muss.
Wie eine verfehlte Politik Arbeitsplätze vernichten kann, hat Deutschland in der
Solarindustrie erlebt. Die rot-grüne Bundesregierung sorgte Anfang der 2000er
dafür, dass Deutschland zum Weltmarktführer aufstieg. Dank Schwarz-Gelb gingen
später in der deutschen Solarbranche viermal mehr Jobs verloren, als heute noch
Menschen in der Braunkohleindustrie beschäftigt sind. Wir kämpfen deshalb für
eine Politik, die gute Arbeit und konsequenten Klimaschutz nicht als Gegensätze
versteht. Vielmehr sehen wir eine gescheiterte Klimapolitik als große Gefahr für
den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Unsere Klimapolitik orientiert sich am global noch verfügbaren CO₂-Budget.
Dieses bezeichnet die CO₂-Emissionen, die von der Menschheit noch verursacht
werden dürfen, um eine globale Erwärmung von 1,5 Grad nicht zu überschreiten.
Die Verteilung dieses Budgets auf einzelne Staaten, insbesondere auch mit Blick
auf die historisch hohen Emissionen der Industriestaaten, ist eine politisch
hoch umstrittene Frage und kann nicht alleiniger Maßstab für klimapolitisches
Handeln sein. Verteilt man die global noch verfügbaren Restemissionen pro Kopf
ergäbe sich daraus ab Anfang 2020 für Deutschland noch ein Budget von 4,2
Gigatonnen CO₂. Dieses Budget erkennen wir als transparentesten
Gerechtigkeitsmaßstab an und streben an, dieses nationale Budget nicht zu
überschreiten.
Mit Blick auf die vielen offenen Fragen hinsichtlich des nationalen
Budgetansatzes sieht das Pariser Abkommen explizit eine Abweichung davon vor und
enthält in seinem Kern die Möglichkeit, Klimaschutzmaßnahmen in anderen Staaten
zu finanzieren und so die maximale ökonomische Effizienz bei der
Emissionsvermeidung zu erreichen. Diesem Mechanismus schließen wir uns an,
möchten aber betonen, dass wir Länder des globalen Südens bei klimafreundlichen
Industrialisierungsbestrebungen unterstützen wollen. Klar ist aber auch:
Regelungen zur globalen Emissionsvermeidung dürfen nicht zur Ausrede für die
Industriestaaten für heimisches Nicht-Handeln verkommen. Mit Blick auf die
besonders hohe Klimaschuld Deutschlands, als historisch viertgrößter Emittent
von Treibhausgasen, und seine besonderen Bedingungen als reicher Staat, streben
wir deshalb die Klimaneutralität der Bundesrepublik bis 2035 an.
Was wir wollen
- Sozialwende
Als Sozialdemokrat:innen sehen wir den Klimaschutz als Chance - Kluge
Klimapolitik sichert und schafft Jobs, höhere Löhne sowie gute
Arbeitsbedingungen. Dafür braucht es jetzt mutige Entscheidungen. Die 2020er
Jahre müssen ein Investitionsjahrzehnt werden: Mit Investitionen in
klimaneutrale Industrieanlagen, Energieversorgung, Mobilität, Gebäudesanierung
und Wasserstoffinfrastruktur entstehen hunderttausende neue Arbeits- und
Ausbildungsplätze im ganzen Land.
Gleichzeitig stehen die Beschäftigten z.B. im Kohlebergbau, der
Automobilherstellung oder der Stahl- und Elektroindustrie vor großen
strukturwandelbedingten Herausforderungen. Wir wollen dabei niemanden allein
lassen, sondern die Aufgaben als Gesellschaft solidarisch schultern.
Beschäftigte in diesen Industrien sollen weiterhin von sicheren Jobs profitieren
und ihren Lebensstandard halten und verbessern können. Deswegen fordern wir ein
Recht auf Weiterbildung verknüpft mit einer Einkommensgarantie – ein erster
Schritt in diese Richtung ist das Transformationskurzarbeiter:innengeld.
Seit Anfang 20221 gibt es in Deutschland einen nationalen CO₂-Preis auf fossile
Brennstoffe im Wärme- und Verkehrsbereich. Zunächst mit 25 Euro pro Tonne CO₂
startend, soll dieser Preis schrittweise erhöht werden und 2025 55 Euro pro
Tonne erreichen. In der Zeit danach soll die Bepreisung mit einem
Emissionshandel und festen Preiskorridoren erfolgen.
Die CO₂-Bepreisung halten wir für ein wichtiges und effektives Instrument, um
einen Anreiz für klimafreundliche Technologien zu setzen und
Treibhausgasemissionen zu senken. Sie kann aber auch Ungerechtigkeiten
verschärfen, weil sie insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen
belastet. Das wollen wir ändern und den CO2-Preis zu einem echten
Umverteilungsinstrument machen!
Damit er eine stärkere Steuerungswirkung entfaltet, muss der CO₂-Preis bereits
ab dem 1. Januar 2023 auf mindestens 60 Euro pro Tonne erhöht werden und
möglichst schnell einen Wert von 195 Euro erreichen – denn so hoch liegen laut
Schätzung des Umweltbundesamtes die langfristigen Folgekosten einer Tonne CO2.
Perspektivisch stellen wir uns eine Einbindung in einen europäischen
Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr vor, den die Europäische
Kommission im Sommer vorgeschlagen hat.
Diese Erhöhungen müssen aber sozial abgefedert werden und dürfen nicht ihre
Lenkungswirkung verfehlen: So wollen wir aus den Einnahmen des CO2-Preises die
EEG-Umlage vollständig abschaffen und die Stromsteuer und die Umsatzsteuer
deutlich senken, damit strombasierte Technologien wie die Elektromobilität oder
Wärmepumpen („Sektorenkopplung“) attraktiver werden. Ergänzend soll ein
Klimawohngeld dafür sorgen, dass sich Wohngeldempfänger:innen auch neue oder
sanierte Wohnungen leisten können und investitionsbedingte Mieterhöhungen nicht
zu sozialen Verwerfungen führen. Außerdem müssen die Mehrkosten durch den CO2-
Preis beim Heizen vollständig von den Vermieter:innen getragen werden – denn nur
sie können eine umweltfreundliche Heizungsanlage einbauen!
Die Entfernungspauschale wollen wir in ein Mobilitätsgeld umwandeln. Die
geltende Pauschale von 30 Cent pro Kilometer Entfernung zum Arbeitsplatz
reduziert das zu versteuernde Einkommen - wer viel verdient, profitiert mehr.
Das Mobilitätsgeld von 10 Cent pro Entfernungskilometer soll hingegen direkt von
der
Steuerlast abgezogen werden. Der finanzielle Vorteil für Besserverdienende würde
damit zugunsten der Geringverdienenden aufgehoben.
Darüber hinaus wollen wir die verbleibenden Einnahmen aus dem CO2--Preis mit
einer Pro-Kopf-Klimaprämie an die Bürger:innen zurückerstatten und so einen
kurzfristigen Umverteilungseffekt erzielen. Denn es sind vor allem Wohlhabende,
die am meisten zur Klimakrise beitragen!
2. Energiewende
Die Grundlage für das Erreichen von Klimaneutralität ist eine vollständig
erneuerbare Energieversorgung. Der gesamte Energiebedarf der Energiewirtschaft,
des Verkehrs, der Gebäudeheizung und der Industrie muss durch einen Mix aus 100%
regenerativer Energie gedeckt werden. Diese Umstellung verändert das
Energiesystem grundlegend: Weg von einem fossilen, zentralen und starren, hin zu
einem erneuerbaren, dezentralen und flexiblen Energiesystem.
Für uns ist die Energiewende deshalb nicht einfach nur eine klimapolitische
Notwendigkeit oder ein technisches Konzept, sondern auch eine grundlegende
sozialdemokratische Idee: Die Erzeugung und der Transport von Energie gehören
nicht in die Hände großer Konzerne, sondern müssen dem Gemeinwohl dienen. Unsere
Energiewende geschieht von Bürger*innenhand!
Deutschland steht heute gut da: 17% des Primärenergiebedarfs werden bereits aus
Erneuerbaren Energien gedeckt, beim Strom sind es sogar 46%. Jetzt braucht es
neue Impulse, um die bisher reine Stromwende zu einer echten Energiewende zu
machen und auch in den Bereichen Verkehr, Wärme und Industrie den Erneuerbaren
zügig zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür ist ein neues System der Steuern und
Abgaben am Energiemarkt notwendig, ebenso wie ein klarer Fahrplan für den Ausbau
der Erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur, der eine
vollständig erneuerbare Energieversorgung bis 2035 ermöglicht.
Die Umstellung auf ein vollständig erneuerbares Energiesystem birgt die
Notwendigkeit, aber auch die Chance, den Primärenergiebedarf massiv zu senken
und aus heimischen Quellen zu decken. 2020 wurden noch knapp 3250 TWh an Energie
für die Bereiche Strom, Gebäudeheizung, Mobilität und Industrie verbraucht,
wovon knapp 70% importiert wurden. Ein vollständig erneuerbares Energiesystem
kommt, einer kürzlich erschienen Studie des DIW zufolge, hingegen mit gut 1200
TWh aus. Das gelingt durch den Ausstieg aus ineffizienten Verbrennungsprozessen
mit fossilen Energieträgern und den Einstieg in die direkte Nutzung von
erneuerbar erzeugtem Strom in Form von Power-To-X-Technologien im Rahmen der
Sektorenkopplung, die zu erheblichen Effizienzgewinnen führen. Gleichzeitig sind
wir aber überzeugt, dass es auch tatsächliche Effizienzgewinne durch eine
Umstellung unseres Wirtschaftssystems auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
dringend braucht.
Während der Primärenergiebedarf deutlich sinkt, wird der Strombedarf durch die
Sektorenkopplung in den nächsten Jahren z.B. durch Wärmepumpen, Elektromobilität
oder Wasserstoff massiv ansteigen. Angelehnt an die aktuelle Studienlage und um
einen zusätzlichen Puffer für eine schneller Dekarbonisierung zu schaffen, gehen
wir von einem Anstieg des Strombedarfs auf mehr als 700 TWh bis 2030 und über
1200 TWh beim Erreichen einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung im Jahr
2035 aus. An diesen Zielen muss sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien
orientieren und bis 2030 zu mindestens 80% und bis spätestens 2035 zu 100% den
Strombedarf
decken. Um die Ziele tatsächlich zu erreichen, muss das jährliche Energiewende-
Monitoring der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit allen großen Instituten des
Landes eine ständig angepasste Prognose über den künftigen Primärenergie- und
Strombedarf enthalten, um auf aktuelle Entwicklungen unmittelbar reagieren zu
können.
Um unseren Energiebedarf in allen Sektoren künftig erneuerbar decken zu
können, ist braucht der Ausbau der Erneuerbaren Energien im wahrsten Sinne des
Wortes mehr Power. Wir streben dafür einen Energiemix aus Wind, Sonne,
Wasserkraft, Biomasse und Geothermie sowie die Koppelung an eine Power-To-X-
Wirtschaft an.
Doch: Mit den unübersichtlichen Regeln des aktuellen Erneuerbare-Energien-
Gesetzes (EEG) und einem Wirrwarr aus Ausschreibungen, Direktvermarktungen,
Stromkaufvereinbarungen (sogenannte Power-Purchase Agreements oder PPAs) und
Förderungen werden wir den Ausbau der Erneuerbaren nicht schnell genug
vorantreiben können. Deshalb streben wir eine Rückkehr zu den Anfängen des EEG
und feste staatliche Einspeisevergütungen an Stelle von Ausschreibungen an. Das
macht es für Bürger*innen und Genossenschaften wieder einfacher und attraktiver,
selbst die Erneuerbaren auszubauen, statt die Energiewende großen Konzernen zu
überlassen. Waren die hohen Fördersummen für die Einspeisevergütung der
Erneuerbaren Energien Anfang des Jahrtausends noch ein echter Preistreiber, sind
die Erneuerbaren heute die günstigste Form der Energieerzeugung, sodass sie mit
sehr geringen oder sogar ganz ohne Fördersummen auskommen.
Wir wollen mit der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, der
nötigen Flächenausweisung und der Direktförderung den Ausbau der Erneuerbaren
Energien deutlich beschleunigen und jährliche Mindestausbauziele statt
Höchstgrenzen festlegen. Bei Zielverfehlung steigen die Einspeisevergütungen,
bei Zielerreichung sinken sie – so erreichen wir den nötigen Ausbau sicher und
zu ökonomisch opportunen Kosten.
Konkret erachten wir einen Ausbau der installierten Photovoltaik-Leistung auf
mindestens 150 GW, der On-Shore Windenergie auf mindestens 100 GW und der Off-
Shore Windenergie auf 25 GW bis 2030 für nötig, um unser Ziel einer vollständig
erneuerbaren Energieversorgung bis 2035 zu erreichen.
Um das zu erreichen, wollen wir im Bereich der On-Shore Windenergie deutlich
mehr Flächen bereitstellen - und zwar durchschnittlich 2% der Landes- und
Gemeindeflächen. Genehmigungsverfahren müssen verkürzt und vereinfacht werden,
Instrumente zur Vorplanung in Windvorranggebieten stärker genutzt und
artenschutzrechtliche Vorgaben bundesweit vereinfacht werden: Die Genehmigung
eines Windparks darf in Zukunft nicht mehr sechs Jahre dauern, sondern muss in 6
Monaten gelingen!
Um die Akzeptanz der Windkraftanlagen in den Standortgemeinden zu stärken,
wollen wir Teilhabe der Bürger:innen sowohl finanziell wie auch im Prozess
ausweiten und dafür sorgen, dass im Sinne einer echten Bürger:innen-Energiewende
vor allem die Kommunen profitieren.
Windenergieanlagen auf dem Meer haben große Vorteile, denn sie liefern
verlässlich und nahezu über das gesamte Jahr Strom. Mittlerweile kann Strom aus
Offshore-Anlagen ohne EEG-Förderung erzeugt werden und ist ideal für die
Herstellung von grünem Wasserstoff. Zwar sind bis 2030 20 Gigawatt Leistung
geplant, ein Großteil allerdings erst Ende des Jahrzehnts. Das ist zu langsam.
Im selben Zeitraum müssen 25 Gigawatt erreicht werden. Um das zu schaffen,
braucht es ausreichend Raum für Offshore-Windparks. Die Netzanbindung muss
sichergestellt, die Flächenentwicklungspläne für Nord- und Ostsee unverzüglich
angepasst werden: Wir schlagen vor, Konflikte in der Nutzung mit anderen
Akteur:innen und zuständigen Verbänden zu lösen, also Vertreter:innen aus
Schifffahrt, Militär, Fischerei und Naturschutz in die Planungen einzubeziehen.
Außerdem soll Deutschland zügig in Verhandlungen mit Dänemark und den
Niederlanden zur Umsetzung gemeinsamer Offshore-Projekte einsteigen.
Solarenergie ist eine zentrale Säule der Energiewende. Auch hier braucht es
deutlich mehr Tempo: Ende 2020 waren etwa 54 Gigawatt Photovoltaik in
Deutschland installiert, bis 2030 ist mindestens eine Verdreifachung notwendig.
Grundsätzlich gilt: Versiegelte Flächen vor! Wir wollen deshalb eine
Solarpflicht für Neubauten sowie Dachsanierungen bei Wohn- und Nichtwohngebäuden
inklusive Parkplätzen einführen. Innovative Formen wie Fassaden-,
Lärmschutzwall- und Agrarphotovoltaik wollen wir durch separate Einspeisetarife
fördern. Über die Standorte von Freiflächen-Photovoltaikanlagen sollen die
Kommunen künftig allein entscheiden und von den Ländern fachliche Unterstützung
bei der Ausweisung erhalten.
Das Ziel einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung bis 2035 bedeutet
auch: Ein Kohleausstieg bis 2038 ist zu spät. Deutschland muss bis 2030 komplett
aus der Kohleverstromung aussteigen. Zur Wahrheit gehört: Durch den starken
Anstieg des CO₂-Preises im europäischen Emissionshandel und verbunden mit einem
künftig schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien wird der Betrieb von
Kohlekraftwerken für die Kraftwerksbetreiber:innen bereits bis 2030 nicht mehr
wirtschaftlich darstellbar sein. Der Markt ist hier schneller als die Politik.
Gerade als Sozialdemokrat:innen müssen wir ehrlich mit den Anwohner:innen von
Kohleregionen wie der Lausitz und den Beschäftigten umgehen: Die von der
Bundesregierung beschlossenen Strukturwandelhilfen müssen schneller eingesetzt,
gegebenenfalls erhöht und in Verkehrsinfrastruktur, den Aufbau neuer Industrien
und Arbeitsplätze investiert werden. Halten wir an den politisch vereinbarten
Zielmarken fest, wird der Strukturwandel scheitern!
Gleichzeitig gilt aber auch: Einen politisch auf 2030 festgesetzten
Kohleausstieg lehnen wir ab, da daraus die Notwendigkeit zusätzlicher
Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber:innen als Konsequenz aus der
Energy Charta Treaty resultiert. Statt großen Unternehmen ihre in fragwürdigen
Investitionsschutzabkommen zugesicherten Entschädigungen zu erhöhen, wollen wir
lieber in den Strukturwandel und den Ausbau der Erneuerbaren investieren und so
bereits bis 2030 für vitale und klimaneutrale Kohleregionen sorgen.
Am Atomausstieg halten wir fest.
Ohne Netzausbau geht gar nichts. Doch dieser kommt aktuell nur schleppend voran.
Schwerfällige Planungsverfahren und rechtliche Hürden führen sogar dazu, dass
fossil betriebene Kraftwerke als “staatliche Reserve” länger als nötig in
Betrieb bleiben. Um gegenzusteuern, müssen Übertragungsnetze so geplant und
gebaut werden, dass sie insbesondere den zusätzlichen Strom aus Offshore-
Windparks zuverlässig transportieren können.
Um die Netzauslastung zu optimieren und Strom für die Herstellung von grünem
Wasserstoff, das Aufladen von Elektroautos und den Betrieb von Wärmepumpen
flexibler und angepasst an die aktuelle Stromerzeugung aus Erneuerbaren zu
verbrauchen („Spitzenglättung“), wollen wir den flächendeckenden Einbau
intelligenter Stromzähler („Smart Meter“) nicht erst bis 2032, sondern bereits
bis 2025 erreichen.
Einzelne Erneuerbare Energien sind nicht 24/7 gleichbleibend verfügbar: Sie sind
“Teamplayer:innen”, ergänzen sich und machen fossile Energieträger überflüssig –
solange für ausreichend Speicher gesorgt wird. Power-to-X bezeichnet
verschiedene Technologien zur Umwandlung und Speicherung von Stromüberschüssen,
wenn zum Beispiel die Sonne im Breisgau mal wieder tagelang scheint oder an der
Nordseeküste eine steife Brise weht. Diese Überschüsse können bei Bedarf
abgerufen werden, beispielsweise an bewölkten und windstillen Tagen. In
Forschung und Entwicklung von Power-to-X-Anlagen fließen bereits heute hohe
Fördersummen aus Deutschland und Europa, aber ihr Betrieb ist dennoch häufig zu
teuer. Damit diese Speicher reifen und billiger werden, müssen sie jetzt im
großen Stil eingesetzt werden. Deshalb wollen wir nicht nur die Forschung,
sondern auch den Betrieb solcher Anlagen staatlich fördern und streben an,
gespeicherten Strom von allen Abgaben und Umlagen zu befreien. Denn die
Speicherung von Energie ist eine notwendige Systemdienstleistung!
Darüber hinaus wollen wir die Versorgungssicherheit über die Spitzenglättung,
den Ausbau zusätzlicher zentraler Batteriespeicher und den Ausbau von
Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung unter dem Einsatz erneuerbarer Gase
sicherstellen und finanziell stärker honorieren als bisher.
Bei allen diesen Umstellungen wollen wir zurück zu unseren Wurzeln: Einer
Energiewende die aufs Konto der Bürger:innen einzahlt und ihnen mehr
Mitbestimmung eröffnet. Landauf, landab gibt es bereits vorbildliche Projekte
von Engagierten, die die Energiewende vor Ort selbst in die Hand nehmen. Wir
möchten Ansätze wie Bürger:innenwerke, Energiegenossenschaften und
Mieter:innenstrommodelle fördern. Ihre Rahmenbedingungen sollen verbessert, ihre
Gründung vereinfacht werden - beispielsweise durch Unterstützung von
Stadtwerken. Unser Ziel lautet, die Energiewende so dezentral wie möglich zu
organisieren und nicht nur zur größten klimapolitischen Umstellung, sondern auch
zur größten Umverteilungsaktion in diesem Land zu machen!
3. Wärmewende
Die Wärmeversorgung ist der hidden champion beim Klimaschutz: So ist die
Wärmeversorgung für 40% des Endenergiebedarfs und ein Drittel der
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Doch gerade in diesem Bereich sind mit
Blick auf die langen Investitionszyklen nur relativ langsame Umstellungen
möglich, sodass der Gebäudesektor 2020 sein im Bundes-Klimaschutzgesetz
festgelegtes Emissionsziel verfehlte! Umso schlimmer: Obwohl er gesetzlich zu
einem Sofortprogramm zur Zielerreichung ab dem nächsten Jahr verpflichtet ist,
hat Horst Seehofer als zuständiger Minister bis heute kein ausreichendes
Sofortprogramm vorgelegt. Das zeigt einmal mehr: Die Union verspielt unsere
Zukunft!
Um den Gebäudebestand bis 2035 klimaneutral zu gestalten, muss die geplante
Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sofort erfolgen und die
energetische Gebäudesanierung und den Einsatz erneuerbarer Heizenergien
beschleunigen.
Das GEG wollen wir dahingehend anpassen, dass ab 2023 im Neubau der Einsatz von
fossilen Öl- und Gasheizungen nicht mehr möglich ist und die Gebäude den KfW-40-
Effizienzstandard erfüllen. Das ist bereits heute für einen Großteil der
Neubauten der Fall und technisch kein Problem.
Doch auch im Gebäudebestand haben fossile Heizsystem keine Zukunft, sodass es
auch hier ab 2024 keinen Einbau neuer Öl- und Gasheizungen mehr geben darf. Das
ist eine große Herausforderung, denn nicht mal 20% des Gebäudebestands
entsprechen den aktuellen energetischen Sanierungsstandards. Mit der kostenlosen
Erstellung verpflichtender Sanierungsfahrpläne zeigen wir für jedes Gebäude den
Weg zur Klimaneutralität auf. Für die Förderung von energetischer
Gebäudesanierung und erneuerbarer Wärme in Gebäuden möchten wir deshalb die
“Bundesförderung effiziente Gebäude” auf 12 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Klimaschonende Alternativen wie Solarthermie, Wärmepumpen und Holzpellets
bringen wir damit schneller in die Wohnungen und Häuser.
Für Haushalte mit niedrigen Einkommen wollen wir darüber hinaus eine erhöhte
Förderung für den Austausch von Öl- und Gasheizungen ansetzen. Außerdem möchten
wir die Heizkostenverordnung so verändern, dass die CO₂-Preis-bedingten
Mehrkosten fürs Heizen nicht mehr auf Mieter:innen umgelegt werden dürfen. Denn
nur die Vermieter:innen können die Heizungsanlage eines Gebäudes austauschen und
damit den CO2-Ausstoß je verbrauchter Kilowattstunde beeinflussen! Sozialer
Kälte – im wahrsten Sinne des Wortes – erteilen wir eine klare Absage.
Fern- und Nahwärme aus klimaschonenden Energieträgern hat großes Potenzial, um
ganze Quartiere zu versorgen und die Wärmeversorgung von einer privaten zu einer
öffentlichen Aufgabe zu machen. Die Länder sollen deshalb schrittweise zur
Durchführung kommunaler Wärmeplanungen für alle Gemeinden, beginnend bei den
bevölkerungsstärksten, verpflichtet werden. Hierdurch können Fern- und
Nahwärmenetze deutlich besser geplant werden. Durch den verstärkten Einsatz von
Großwärmepumpen, Solar- und Geothermie, industrieller Abwärme und grünem
Wasserstoff wollen wir den Anteil klimafreundlich erzeugter Wärme bis 2030
mindestens verdoppeln.
4. Verkehrswende
“Autogerecht” sollten sie sein: Mitte des 20. Jahrhunderts orientierte sich die
Stadtplanung vor allem am motorisierten Individualverkehr. Das hatte gute Gründe
- passt aber nicht mehr in unsere Lebensrealität. Die Mobilität der Zukunft muss
klimaschonend gedacht werden und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dafür
soll ein neues Bundesmobilitätsgesetz sorgen - dieses beinhaltet Ziele für mehr
Umwelt- und Klimaschutz sowie Lebens- und Aufenthaltsqualität in Städten und
Dörfern.
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist ein wichtiges Planungsinstrument für
Schiene, Straße und Wasserwege. Bislang folgt er der Logik, dort auszubauen, wo
Engpässe zu vermuten sind. Das ist jedoch nicht zeitgemäß - im BVWP 2030 sind
zahlreiche Aus- und sogar Neubauprojekte von Bundesfernstraßen enthalten und
ignoriert das sogenannte Verkehrsparadoxon: Wo bessere Infrastruktur
bereitsteht, entwickelt sich mehr Verkehr. Klimaneutralität lässt sich so nicht
erreichen. Wir fordern deshalb einen “Klimacheck” für den
Bundesverkehrswegeplan: Sämtliche im BVWP gelisteten Projekte sollen darauf
untersucht werden, ob sie klimaschonenden Verkehr fördern. Danach werden sie neu
priorisiert oder aus den Bedarfsplänen gestrichen.
Ab dem Jahr 2030 wollen wir keine Fahrzeuge mit fossilem Verbrennungsmotor mehr
zulassen – eine großer Herausforderung für das Automobilland Deutschland.
Dennoch ist das der richtige Schritt: Zum einen wird der klassische Verbrenner
schon bald international nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Wer sich an diese
Technologie von gestern klammert, riskiert, dass Deutschland seine führende
Rolle in der Autoindustrie verliert. Zum anderen sind fossile Verbrenner mit der
Maßgabe Klimaneutralität bis 2035 nicht vereinbar. Automobilunternehmen,
Zulieferbetriebe und vor allem die dort Beschäftigten sollen diesen Prozess
mitgestalten. Wir wollen diese Gruppen bereits 2022 mit Vertreter:innen aus
Politik und Umweltverbänden an einen Tisch bringen. Nach dem Vorbild der
“Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” (kurz:
Kohlekommission) sollen sie gemeinsam Vorschläge für einen sozialverträglichen
Verbrennerausstieg erarbeiten.
Im Individualverkehr erweist sich E-Mobilität als effizient. Bis 2025 sollen
mindestens 5 Millionen, bis 2030 mindestens 15 Millionen batterieelektrische PKW
auf den Straßen unterwegs sein. Die Kfz-Steuer wollen wir so umbauen, dass sich
der Kauf eines E-Autos gegenüber dem eines Verbrennerfahrzeugs auch dauerhaft
und spürbar finanziell lohnt. Kaufprämien wollen wir dagegen auslaufen lassen,
da sie vor allem eine Subvention für Gutverdienende sind. Die Förderung von
Plug-In-Hybriden muss bereits im nächsten Jahr auslaufen; die Förderung
vollelektrischer Fahrzeuge in einem angemessenen zeitlichen Abstand zum
Verbrenner-Aus. Mit den freiwerdenden Mitteln wollen wir stattdessen den ÖPNV
stärken und in einen Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren. Mit einem neuen
Masterplan Ladeinfrastruktur wollen wir den Aufbau von genügend
Lademöglichkeiten beschleunigen und insbesondere strukturell-unterversorgt
Gruppen, wie die Menschen im ländlichen Raum, Mieter:innen und
Berufspendler:innen am Arbeitsplatz in den Fokus rücken.
Eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur sorgt nicht nur für eine schnellere
Verkehrswende, sondern trägt auch zur Stabilität eines zukünftigen
Energiesystems bei: Unter dem Stichwort der Sektorenkopplung – also der
Vernetzung aller Bereiche des Energiesystem – wollen wir das volle Potenzial der
E-Mobilität nutzen und batterieelektrische Fahrzeuge in einem digitalisierten
Stromnetz zur Zwischenspeicherung von überschüssigem Strom oder zur
Netzstabilisierung („Demand Side Management“/ „Spitzenglättung“) einsetzen.
Grünen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollten mit Blick auf deren
Energieeffizienz dagegen mit Bedacht eingesetzt werden und dem Langstrecken- und
Schwerlastverkehr sowie Flugzeugen und Schiffen vorbehalten bleiben. Die Zukunft
ist elektrisch!
Das eigene Auto ist auf Pendelstrecken, für die Arbeit und viele andere
Situationen wichtig, gerade im ländlichen Raum. Um die Verkehrswende zu
schaffen, wollen wir das Privatfahrzeug wie auch Kurzstreckenflüge Schritt für
Schritt überflüssig machen. Car-, Bike- und sonstige Sharing-Angebote wollen wir
ausweiten. Gerade im ländlichen und vorstädtischen Raum sollen die Kommunen,
Landkreise und Stadtwerke dafür zusammen Konzepte entwickeln.
Wir fordern eine Schienenoffensive, die Deutschlands Bahninfrastruktur ins 21.
Jahrhundert holt und Verspätungen und Störungen der Vergangenheit angehören
lässt. Zwar wurden die Bundes-Investitionen in den letzten Jahren deutlich
angehoben, im europäischen Vergleich hinkt Deutschland dennoch hinterher: 2020
steckte Deutschland 88 Euro pro Bürger:in ins Schienennetz - Norwegen 228, die
Schweiz 440, Luxemburg gar 567 Euro. Deutschland darf den Anschluss nicht
verlieren und muss bei den Investitionssummen nachziehen.
Der Schienenverkehr muss vor allem im ländlichen Raum wieder einen höheren
Stellenwert bekommen, um allen Menschen ein effizientes öffentliches
Mobilitätsangebot machen zu können. Deshalb wollen wir stillgelegte Bahnstrecken
reaktivieren und mit einer angemessenen Taktung ausstatten. Bahnhöfe wollen wir
zu barrierefreien und vitalen Mobilitätsknotenpunkten in Verbindung mit
Bushaltestellen, Park + Ride-Plätzen mit Ladestationen für die E-Mobilität, Car-
und Bike-Sharing-Angeboten sowie Einkaufs- und Dienstleistungsangeboten
weiterentwickeln. Um auch im Fernverkehr eine echte Alternative zum Flugzeug zu
sein, müssen das Schnellzug- und das Nachtzugnetz ausgeweitet bzw. aufgebaut
werden.
Um den Gütertransport zu dekarbonisieren und die Autobahnen zu entlasten, wollen
wir wieder mehr Güter auf der Schiene transportieren. Viele Unternehmen haben
daran bereits heute ein großes Interesse, werden aber durch eine mangelhafte
Infrastruktur ausgebremst. Dafür müssen die Fördermittel des Bundes deutlich
aufgestockt werden.
Insgesamt müssen insbesondere Raumordnungsverfahren und
Umweltverträglichkeitsprüfungen für Schienenprojekte deutlich vereinfacht
werden, um unmittelbare bauliche Fortschritte erzielen zu können.
Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver machen. Die Taktung
von Bussen und Bahnen soll dauerhaft erhöht werden. In Großstädten soll der 5-
Minuten Takt die Regel sein, in Verdichtungsräumen der 15-Minuten-Takt und in
ländlichen Gebieten mindestens der 1-Stunden-Takt. Außerdem möchten wir zwischen
5 und 24 Uhr eine Mobilitätsgarantie einführen: In diesem Zeitraum sollen ÖPNV-
Angebote an allen Wochentagen überall nutzbar sein. Um das zu realisieren,
setzen wir neben klassischen Fahrplänen auf “On-Demand-Services” – telefonisch
oder via App können so bei Bedarf beispielsweise Kleinbusse bestellt werden.
Wir kämpfen für einen ticketlosen, also komplett gebührenfreien Nahverkehr, denn
Mobilität ist für uns kein privates Anliegen, das vom eigenen Geldbeutel oder
Wohnort abhängt, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe und die
Grundvoraussetzung von Teilhabe.
Als Zwischenschritt befürworten wir 365 Euro-Jahrestickets pro Bundesland und
vergleichbare Modelle, die insbesondere Kindern und Jugendlichen – die
zwangsläufig ohne eigenen PKW mobil sein müssen – eine adäquate und günstige
Mobilitätsoption an die Hand gibt.
Kommunen wollen wir zur Finanzierung des ÖPNV eine weitere Einnahmequelle
ermöglichen: Eine Nahverkehrsabgabe für Unternehmen mit 10 oder mehr
Mitarbeiter:innen. Nach dem Vorbild Frankreichs können Kommunen dann selbst
entscheiden, diese Abgabe zu erheben. Auch die jeweilige Höhe wird von der
Gemeinde festgelegt.
5. Industriewende
Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts verlangt eine
Wirtschaftspolitik, die Betriebe wie Beschäftigte bei der Transformation
unterstützt. Die Dekarbonisierung wird nur zum Erfolg, wenn auch die
Energiewende gelingt, denn unsere Stromproduktion muss nicht nur klimaneutral
geschehen, sondern auch für den steigenden Stromverbrauch der Industrie
ausgebaut werden. Manche Industrieanlagen werden bald einen Offshore-Windpark
für sich alleine brauchen. Darauf muss kluge Wirtschaftspolitik vorausschauend
reagieren.
Grund für den steigenden Strombedarf ist vor allem die Nutzung von Wasserstoff
als Energieträger in der Industrieproduktion. Damit dieser auch klimaneutral
erzeugt wird, wir also von “grünem Wasserstoff” sprechen können, bedarf es einer
neuen Wasserstoffstrategie. Eine Wasserstoffstrategie 2.0 muss Bedarfe ehrlich
erfassen, entsprechende Ziele formulieren und letztlich zu deren Umsetzung
beitragen. Dabei spielen neben der Produktion auch Transport und Lagerung eine
zentrale Rolle. Lange wurde der zukünftige Strombedarf zu geringgeschätzt und so
wichtige Zeit verloren. Mit der Stromlüge muss nun Schluss sein und das
Industrieprojekt klimaneutrales Deutschland endlich angepackt werden.
Aber auch an der Substanz der deutschen Industrie werden massive Veränderungen
nötig. Mehr als die Hälfte alle energieintensiven Industrieanlagen werden neu
gebaut werden müssen. Damit Industrieabwanderung vorgebeugt und Lock-In-Effekte
verhindert werden können, müssen die entsprechenden wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Ein Mittel dafür können Klimaschutzverträge bzw. “Carbon Contracts for
Difference” sein. Solche Verträge zwischen dem Bund und einem Unternehmen sorgen
für Planungssicherheit, minimieren Risiken und beschleunigen den Wandel zur
klimaneutralen Wirtschaft. Für Anschaffung und Betrieb klimaneutraler
Technologien wird eine feste Prämie pro vermiedener Tonne CO₂-Äquivalente
festgelegt, die CO₂-Vermeidungskosten gegenüber klimaschädlichen
Referenzinvestitionen kompensiert. Kurzum: Klimaschutzverträge kurbeln
Investitionen in klimaneutrale Industrieanlagen massiv an. Ändern sich die
Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit, beispielsweise durch steigende
CO₂-Preise, wird der Vertrag entsprechend angepasst. Das Schließen solcher
Klimaschutzverträge muss dabei an Faktoren wie dem CO₂-Vermeidungs- und
Transformationspotential gemessen werden.
Doch auch mit einem Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien lässt sich ein
lineares Wirtschaftssystem nicht nachhaltig betreiben. Viel mehr braucht es eine
Kreislaufwirtschaft, die dem Grundsatz „Cradle To Cradle“ folgt und die
Vermeidung von Abfällen durch ein konsequentes Wertstoff-Denken voranbringt: Nur
wenn wir alle Materialien für Konsum und Produktion so designen, dass sie
Grundlage für weiteres Wirtschaften anstatt für eine Sondermüll-Entsorgung sind,
können wir die steigende Inanspruchnahme von Land, Energie und Primärrohstoffen
wirksam stoppen und umkehren.
Vor allem der Bausektor spielt als größter Ressourcenverbraucher dafür eine
entscheidende Rolle. Wir setzen deshalb auf eine klare Vorfahrt für die
Sanierung und den Erhalt von Gebäuden und eine Standortpolitik, die
Infrastruktur und Menschen auch in ländlichen Räumen hält, anstatt dem
Urbanisierungs-, und damit Neubauzwang, weiter folgt. Für uns ist klar: Das
nachhaltigste Gebäude ist das, was schon steht!
Doch auch in Zukunft lässt sich Bauen nicht vollständig vermeiden, sodass wir
hier dringend eine andere Rohstoffpolitik brauchen: Anstatt mineralische
Baustoffe wie Beton oder Stahl einzusetzen, die nur unter hohem Energieaufwand
und mit dem Abbau von Rohstoffen hergestellt werden können, setzen wir auf
nature-based solutions wie das Bauen mit Holz, Stroh, Hanf oder anderen
nachhaltigen Bau- und Dämmstoffen. Denn diese vermeiden nicht nur
Energieverbrauch und Emissionen, sondern können langfristig Kohlenstoff in sich
speichern und zum Aufbau kreislauffähiger Ökosysteme beitragen.
Auch der Rückbau von Gebäuden muss viel stärker in den Mittelpunkt gerückt
werden und direkt beim Neubau bedacht werden. So wollen wir gemeinsam mit dem
Beantragen einer Baugenehmigung die Pflicht zur Erstellung eines Rückbauplans
einführen, der eine klare Perspektive für die Weiterverwendung der in einem
Gebäude eingesetzten Rohstoffe nach dem Abriss definiert und nicht-
recyclingfähige Baustoffe schrittweise verbietet.
6. Finanzwende
An der Finanzierung darf ein klimaneutrales Deutschland nicht scheitern. Diese
industrielle Revolution verlangt deshalb eine Finanzpolitik, die mutig anpackt.
Die dafür notwendigen Mittel können Bund und Länder vielfach aus ihren
Steuereinnahmen decken. Wo das nicht der Fall ist, muss sich unsere
Fiskalpolitik den Anforderungen anpassen. – Die schwarze Null darf den Weg zur
Klimaneutralität nicht gefährden!
Der einfachste Weg, um Mittel für Investitionen in ein klimaneutrales
Deutschland zu gewinnen und gleichzeitig schon aktiv etwas für den Klimaschutz
zu tun, liegt im
Abbau der klimaschädlichen staatlichen Subventionen. Allein auf Bundesebene sind
das pro Jahr über 50 Milliarden Euro. Erfasst sind also genauso wenig
Subventionen der Länder und Kommunen wie nicht-finanzwirksame also indirekte
Subventionen beispielsweise durch Bürgschaften. Um das 1,5-Grad-Ziel zu halten,
müssen alle Formen klimaschädlicher Subventionen abgebaut werden – dazu zählen
insbesondere die Kerosinsteuerbefreiung, die Entfernungspauschale oder das
Dieselprivileg.
Dennoch ist klar, dass die überwältigende Mehrheit der eingesetzten Mittel
private Investitionen sein werden. Deshalb befürworten wir eine ambitionierte
Ausgestaltung der EU-Taxonomie, die einen klaren Rechtsrahmen für nachhaltige
Geldanlagen definiert.
7.Agrarwende
Der Fortbestand der landwirtschaftlichen Strukturen in Deutschland und Europa
ist auf dramatische Art und Weise gefährdet: Während die Landwirtschaft die
Klimakrise durch CO2-, Methan-, und Lachgasemissionen weiter anheizt, ist sie
gleichzeitig wie kein anderer Sektor von den Folgen der Erderhitzung betroffen.
Drei Dürresommer in Folge, Überschwemmungen, das Sinken des Grundwasserspiegels
- Bäuerinnen und Bauern spüren die Auswirkungen der Klimakrise tagtäglich.
Gleichzeitig hat u.a. eine einseitige Fokussierung auf den globalen Wettbewerb
dazu geführt, dass auch das Geschäftsmodell des Großteils landwirtschaftlicher
Betriebe nicht mehr nachhaltig ist. So ist die Zahl der Betriebe in nur 50
Jahren von 1,1 Millionen (alte BRD) auf nur noch 263.500 gesunken. Und wir
verlieren weitere 2-3% unserer Betriebe - jährlich! Die Landwirtschaft befindet
sich damit nicht nur in einer ökologischen, sondern auch ökonomischen und
sozialen Krise. Das wollen wir ändern. Denn der Agrar- und Forstsektor ist der
einzige Sektor, der sogar klimapositiv werden und damit einen herausragenden
Beitrag zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann!
Deshalb stellen wir uns hinter die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen der
Zukunftskommission Landwirtschaft und wollen eine entschlossene Agrarwende
umsetzen. Agrarsubventionen rein nach Fläche, so wie sie heute noch
hauptsächlich ausgezahlt werden, müssen zügig und planbar abgeschafft werden.
Stattdessen braucht es eine schrittweise vollständige Umwandlung in Zahlungen,
welche die Bereitstellung und den Schutz öffentlicher Güter fördern und
schützen. Unsere Landwirtschaftspolitik folgt dem Motto: Öffentliches Geld für
öffentliche Leistungen statt privater Gewinne! Nur auf diesem Weg wird es
gelingen, die immense Ungleichverteilung öffentlicher und zumeist nicht
nachhaltiger Subventionen zu stoppen und langfristig gute Einkommen für
Bäuerinnen und Bauern zu sichern. Es muss erklärtes Ziel sein, die Anzahl an
Betrieben wieder zu steigern, beispielsweise durch einen privilegierten Zugang
zu landwirtschaftlichen Böden für Junglandwirt:innen und eine degressive Hektar-
basierte Startprämie.
Wir setzen uns für faire Marktbedingungen für Landwirt:innen ein und wollen die
oligopolistischen Strukturen im Lebensmittelhandel aufbrechen. Insbesondere die
Förderung der Direktvermarktung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die
Geringschätzung von guten und gesunden Lebensmitteln und Billigpreise müssen der
Vergangenheit angehören.
Die hauptsächliche Verwendung von saisonalen, regionalen und überwiegend
pflanzenbasierten, Produkten in öffentlichen Einrichtungen sollte deshalb
zukünftig selbstverständlich sein.
Im Moment landet ein Drittel der Lebensmittel in Deutschland im Müll. Wir sagen:
Lebensmittel sind zu gut für die Tonne! Es braucht deshalb eine Verpflichtung
für den Lebensmittelhandel, noch genießbare Lebensmittel zu spenden. Das Retten
dennoch weggeschmissener Nahrungsmittel (sog. Containern) muss darüber hinaus
entkriminalisiert werden.
Eine starke Reduktion des Tierbestandes und des Konsums tierischer Lebensmittel,
insbesondere mindestens eine Halbierung des Fleischkonsums, ist der effektivste
Weg, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. So können wir auf den Import
großer Mengen an Futtermitteln, vorrangig aus Südamerika, verzichten und die
Stoff- und Futterkreisläufe wieder selbst schließen. Massentierhaltung auf der
einen und ein zu geringer Viehbesatz auf der anderen Seite gehören so endlich
der Vergangenheit an. Wir streben einen Viehbesatz von 1-2 Großvieheinheiten
(GVE) je Hektar und gleichzeitig vorrangig eine Grünlandhaltung an. Das bedeutet
nicht nur eine artgerechte Haltung unseres Viehs, sondern auch den sukzessiven
Aufbau neuer Grünlandflächen als artenreichste Biotope und starke
Kohlenstoffsenken.
Außerdem wollen wir die Subventionen und Steuerprivilegien für die Produktion
und den Vertrieb tierischer Produkte drastisch reduzieren.
Wichtig ist, die Agrarwende ganzheitlich zu denken und die globalen Folgen der
deutschen und europäischen Landwirtschafts- und damit auch Handelspolitik im
Blick zu haben. Eine maßgebliche Verringerung des globalen Fußabdrucks der
deutschen Landwirtschaft muss durch eine fast vollständige Verwendung von
regionalen Futtermitteln erzielt werden. Es braucht darüber hinaus einen
Einfuhrstopp von Agrar-Produkten, die im Ausland die Umwelt zerstören und
Menschenrechte verletzen. Klar ist auch: das Mercosur-Abkommen muss weiterhin
verhindert werden. Die SPD muss sich mit ganzer Kraft gegen ausbeutende und neo-
kolonialistische Handelspraktiken einsetzen!
Mit einer vorrangig pflanzenbasierten Ernährung ist auch eine stärkere
Ausweitung des Ökolandbaus vorstellbar. Wir streben eine Ausweitung des
ökologischen Landbaus auf mindestens 30% der landwirtschaftlich genutzten Fläche
bis 2030 an. Durch diese Umstellung und weitere technische Anpassungen lässt
sich der Einsatz mineralischer Düngemittel bis 2030 um mindestens 20%
reduzieren, wodurch 80% der Lachgasemissionen vermieden werden können.
Aktiv gefördert werden muss das einzigartige Potential der Landwirtschaft,
Treibhausgase in Böden und Feuchtgebieten zu speichern. Deshalb braucht es eine
ganzheitliche Förderung zum nachhaltigen Humus-Aufbau und vor allem zum
Wiedervernässen von Mooren. Insbesondere das Wiedervernässen als Maßnahme mit
der höchsten Klimaschutzwirksamkeit ist in der aktuellen nationalen
Ausgestaltung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) nicht vorgesehen -
das ist inakzeptabel! In Deutschland sind 95% der Moore entwässert. Subventionen
für die intensive Bewirtschaftung solcher entwässerten Feuchtgebiete müssen
umgehend beendet werden. Insbesondere der Abbau von Torfflächen und die Nutzung
von Torf haben einen umfangreichen Beitrag zur Klimaerwärmung, da hierbei große
Mengen CO2 frei werden. Daher muss beides in Deutschland und ganz Europa
verboten werden. Durch eine entsprechende kluge und nachhaltige Behandlung von
Feuchtgebieten, die lediglich 4% der deutschen landwirtschaftlichen Fläche
ausmachen, könnten insgesamt 25% der landwirtschaftlichen Emissionen eingespart
werden. Eine nachhaltige Bewirtschaftung kann durch Paludikuktur gelingen, also
die nasse Bewirtschaftung von Mooren. Beispiele sind der Anbau von ökologischen
Bau- und Dämmstoffen, Biomasse zur Energiegewinnung oder auch Torfmoos als
Torfersatzstoff.
Das Potential unserer Wälder als Kohlenstoffsenke muss gesteigert und nicht noch
weiter gemindert werden. Dafür entscheidend ist auch die progressive Gestaltung
der EU-Taxonomie. Es muss verhindert werden, dass das Verfeuern von Biomasse als
„nachhaltig“ eingestuft wird und so falsche Anreize zur Abholzung gesetzt
werden.
Ein besonderes Augenmerk muss auch auf dem Aufbau von Agroforststrukturen
liegen, also der gleichzeitigen Bewirtschaftung mit Gehölzen, Acker und/oder
Tieren auf einer Fläche. Denn solche Systeme können immense Vorteile haben für
Bäuerinnen und Bauern (im Sinne einer Produkt- und Einkommensdiversifizierung),
den ländlichen Raum ( durch den Aufbau regionaler Märkte) sowie das Klima und
die Biodiversität. 10% aller landwirtschaftlichen Flächen (und nicht nur des
Ackerlands) müssen zum Schutz der Artenvielfalt in nicht-produktive Flächen
umgewandelt werden.
Klar ist: Nicht bei allen Umwandlungen landwirtschaftlicher Flächen zu Klima-
und Biodiversitätszwecken ist eine alternative Nutzung, vor allem mit demselben
finanziellen Ertrag wie vor der Umwandlung, möglich. Wir fordern deshalb die
Einrichtung eines "Klimaretter:innen-Fonds", welcher die finanziellen Ausfälle
der Landwirt:innen kompensiert.
8. Internationale Klimapolitik
Die Klimakrise ist eine globale Herausforderung, die sich nicht national lösen
lässt. Nur wenn es uns gelingt, die globalen Emissionen bis 2030 um 45% im
Vergleich zu 2010 zu reduzieren und bis 2050 global Klimaneutralität zu
erreichen, können wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem
vorindustriellen Niveau begrenzen. Die Grundlage dafür ist die Einhaltung eines
global noch verfügbaren CO2-Budgets von 400Gt CO2 (und Budgets für verschiedene
andere Treibhausgase), das eine 67% Wahrscheinlichkeit liefert, das 1,5 Grad
Ziel einzuhalten. – Das ist angesichts von gut 36Gt globalem CO2-Ausstoß pro
Jahr sehr wenig, aber mit ambitionierten Klimaschutzmaßanahmen einhaltbar.
Im Pariser Abkommen bekennen sich alle Staaten dazu, dieses Ziel zu erreichen.
Dafür haben sie einen klaren Mechanismus festgelegt: Statt von Anfang an
verpflichtende Emissionsminderungen für jedes Land festzulegen, geben die
Staaten sich selbst Ziele („NDCs“), mit der Maßgabe, sie alle fünf Jahre zu
verschärfen. Doch nicht alle Staaten kommen dieser Verpflichtung in
ausreichender Weise nach, sodass die Welt laut einer aktuellen Analyse der
Vereinten Nation bis zum Ende des Jahrhunderts immer noch auf 2,7 Grad
Erderwärmung zusteuert.
Um mehr Verbindlichkeit in der globalen Klimapolitik zu erreichen, hat Olaf
Scholz die Gründung eines Klimaclubs vorgeschlagen. In diesem Club schließen
sich Staaten mit gemeinsamen Klimaschutzambitionen, um einheitliche
Wettbewerbsbedingungen für eine klimaneutrale Umgestaltung der Industrie zu
schaffen und so das Race To The Bottom bei Umweltschutzstandards zu beenden.
Die Vereinbarungen innerhalb eines solchen Klimaclubs sollten insbesondere
umfassen:
- gesetzlich festgeschriebene ambitionierte Zwischenziele zur
Emissionsminderung in den teilnehmenden Staaten und eine Verpflichtung zur
Klimaneutralität bis spätestens 2050
- ein gemeinsames Emissionshandelssystem
- verbindliche Standards für die umweltverträgliche Förderung von Rohstoffen
und den Umgang mit sensiblen Ökosystemen, insbesondere Regenwäldern,
Grünland, Mangroven und Meeren
- eine Kooperation im Bereich von Zukunftstechnologien, insbesondere zur
Herstellung von grünem Wasserstoff, zu Energiespeichern sowie zur Nutzung
und Abscheidung von Kohlenstoff (CCUS-Technologien)
Die Klimakrise hat aber auch eine historische Dimension. Denn die Staaten, die
bereits heute am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen,
haben in der Vergangenheit die geringsten Emissionen gehabt. Deshalb ist ein
Kernbestandteil der jährlichen Klimaverhandlungen die Unterstützung ärmerer
Staaten bei Klimaschutz und Klimaanpassung. Dafür haben die entwickelten Länder
ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar verbindlich zugesichert, ohne jedoch
diese Zusage einzuhalten. Deutschland muss als historisch viertgrößter Emittent
von Treibhausgasen seiner Verpflichtung nachkommen und seinen Beitrag zur
globalen Klimafinanzierung nochmals aufstocken.
Ebenso liegt es in der historischen Verantwortung Deutschlands, möglichst
schnell Klimaneutralität zu erreichen und damit nicht weiter zur Aufzehrung des
globalen Treibhausgasbudgets beizutragen. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Deutschland bis 2035.
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Von Zeile 22 bis 23 einfügen:
ihren Fleischkonsum reduzieren oder vom Auto auf die Bahn umsteigen, ist das zwar ein wichtiger Beitrag.Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir wollen deshalb die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B.
Nach Zeile 31 einfügen:
Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Warum wir für Klimagerechtigkeit kämpfen
Stürme, Dürren, Brände: Laut Weltwetterorganisation tritt Extremwetter heute
vier bis fünfmal häufiger auf als noch in den 1970er-Jahren. Bei der
Flutkatastrophe im vergangenen Juli kamen in Deutschland knapp 200 Menschen ums
Leben, das Hochwasser verursachte Schäden in Milliardenhöhe. - Der
menschengemachte Klimawandel und seine Auswirkungen gehören längst zu unserem
Alltag.
Deshalb haben sich 2015 194 Staaten und die Europäische Union mit dem Pariser
Abkommen auf einen Neustart in der internationalen Klimapolitik geeinigt und
streben an, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2
Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und Anstrengungen zu
unternehmen, um den Temperaturanstieg bei 1,5 Grad zu stoppen. Dennoch warnt der
Weltklimarat (IPCC): Bereits 2030 könnte sich der Planet im Vergleich zum
vorindustriellen Zeitalter um 1,5 Grad erwärmt haben – deutlich schneller also,
als man bisher angenommen hatte!
Die Klimakrise ist für uns eine Gerechtigkeitskrise: Während die
Industriestaaten maßgeblich zur Erderwärmung beigetragen haben und dies immer
noch tun, sind die Hauptbetroffenen die Menschen des globalen Südens.
Klimaschutz ist für uns zuallererst ein gewaltiges Industrieprojekt. Wir wehren
uns dagegen, die Verantwortung für den Klimaschutz auf Einzelpersonen
abzuwälzen. Wenn Menschen ihr Verhalten klimabewusst ändern, beispielsweise
ihren Fleischkonsum reduzieren oder vom Auto auf die Bahn umsteigen, ist das
zwar ein wichtiger Beitrag.Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir wollen deshalb die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B.
Außerdem wollen wir nachfolgende Generationen für die Schaffung gerechter
sozialer Verhältnisse, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und nachhaltiges
Wirtschaften sensibilisieren. Denn ein Wandel hin zu nachhaltiger Entwicklung
ist keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe, bei der wir die
Kommunen als Träger:innen der Bildungseinrichtungen gewinnen wollen, die Bildung
für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausweiten und begreifen z.B. Schulen,
Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen
Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Bündnisse oder Kirchen als Orte, an denen Nachhaltigkeit gelebt und vermittelt werden kann.
Gleichzeitig wissen wir, dass die Klimakrise nur bewältigt werden kann, wenn wir
unsere Wirtschaft klimaneutral umbauen. Wir stehen vor einer neuen industriellen
Revolution, die fossile Wirtschaftsstrukturen überwinden und gute Arbeit in
einer dekarbonisierten Wirtschaft ermöglichen muss.
Wie eine verfehlte Politik Arbeitsplätze vernichten kann, hat Deutschland in der
Solarindustrie erlebt. Die rot-grüne Bundesregierung sorgte Anfang der 2000er
dafür, dass Deutschland zum Weltmarktführer aufstieg. Dank Schwarz-Gelb gingen
später in der deutschen Solarbranche viermal mehr Jobs verloren, als heute noch
Menschen in der Braunkohleindustrie beschäftigt sind. Wir kämpfen deshalb für
eine Politik, die gute Arbeit und konsequenten Klimaschutz nicht als Gegensätze
versteht. Vielmehr sehen wir eine gescheiterte Klimapolitik als große Gefahr für
den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Unsere Klimapolitik orientiert sich am global noch verfügbaren CO₂-Budget.
Dieses bezeichnet die CO₂-Emissionen, die von der Menschheit noch verursacht
werden dürfen, um eine globale Erwärmung von 1,5 Grad nicht zu überschreiten.
Die Verteilung dieses Budgets auf einzelne Staaten, insbesondere auch mit Blick
auf die historisch hohen Emissionen der Industriestaaten, ist eine politisch
hoch umstrittene Frage und kann nicht alleiniger Maßstab für klimapolitisches
Handeln sein. Verteilt man die global noch verfügbaren Restemissionen pro Kopf
ergäbe sich daraus ab Anfang 2020 für Deutschland noch ein Budget von 4,2
Gigatonnen CO₂. Dieses Budget erkennen wir als transparentesten
Gerechtigkeitsmaßstab an und streben an, dieses nationale Budget nicht zu
überschreiten.
Mit Blick auf die vielen offenen Fragen hinsichtlich des nationalen
Budgetansatzes sieht das Pariser Abkommen explizit eine Abweichung davon vor und
enthält in seinem Kern die Möglichkeit, Klimaschutzmaßnahmen in anderen Staaten
zu finanzieren und so die maximale ökonomische Effizienz bei der
Emissionsvermeidung zu erreichen. Diesem Mechanismus schließen wir uns an,
möchten aber betonen, dass wir Länder des globalen Südens bei klimafreundlichen
Industrialisierungsbestrebungen unterstützen wollen. Klar ist aber auch:
Regelungen zur globalen Emissionsvermeidung dürfen nicht zur Ausrede für die
Industriestaaten für heimisches Nicht-Handeln verkommen. Mit Blick auf die
besonders hohe Klimaschuld Deutschlands, als historisch viertgrößter Emittent
von Treibhausgasen, und seine besonderen Bedingungen als reicher Staat, streben
wir deshalb die Klimaneutralität der Bundesrepublik bis 2035 an.
Was wir wollen
- Sozialwende
Als Sozialdemokrat:innen sehen wir den Klimaschutz als Chance - Kluge
Klimapolitik sichert und schafft Jobs, höhere Löhne sowie gute
Arbeitsbedingungen. Dafür braucht es jetzt mutige Entscheidungen. Die 2020er
Jahre müssen ein Investitionsjahrzehnt werden: Mit Investitionen in
klimaneutrale Industrieanlagen, Energieversorgung, Mobilität, Gebäudesanierung
und Wasserstoffinfrastruktur entstehen hunderttausende neue Arbeits- und
Ausbildungsplätze im ganzen Land.
Gleichzeitig stehen die Beschäftigten z.B. im Kohlebergbau, der
Automobilherstellung oder der Stahl- und Elektroindustrie vor großen
strukturwandelbedingten Herausforderungen. Wir wollen dabei niemanden allein
lassen, sondern die Aufgaben als Gesellschaft solidarisch schultern.
Beschäftigte in diesen Industrien sollen weiterhin von sicheren Jobs profitieren
und ihren Lebensstandard halten und verbessern können. Deswegen fordern wir ein
Recht auf Weiterbildung verknüpft mit einer Einkommensgarantie – ein erster
Schritt in diese Richtung ist das Transformationskurzarbeiter:innengeld.
Seit Anfang 20221 gibt es in Deutschland einen nationalen CO₂-Preis auf fossile
Brennstoffe im Wärme- und Verkehrsbereich. Zunächst mit 25 Euro pro Tonne CO₂
startend, soll dieser Preis schrittweise erhöht werden und 2025 55 Euro pro
Tonne erreichen. In der Zeit danach soll die Bepreisung mit einem
Emissionshandel und festen Preiskorridoren erfolgen.
Die CO₂-Bepreisung halten wir für ein wichtiges und effektives Instrument, um
einen Anreiz für klimafreundliche Technologien zu setzen und
Treibhausgasemissionen zu senken. Sie kann aber auch Ungerechtigkeiten
verschärfen, weil sie insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen
belastet. Das wollen wir ändern und den CO2-Preis zu einem echten
Umverteilungsinstrument machen!
Damit er eine stärkere Steuerungswirkung entfaltet, muss der CO₂-Preis bereits
ab dem 1. Januar 2023 auf mindestens 60 Euro pro Tonne erhöht werden und
möglichst schnell einen Wert von 195 Euro erreichen – denn so hoch liegen laut
Schätzung des Umweltbundesamtes die langfristigen Folgekosten einer Tonne CO2.
Perspektivisch stellen wir uns eine Einbindung in einen europäischen
Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr vor, den die Europäische
Kommission im Sommer vorgeschlagen hat.
Diese Erhöhungen müssen aber sozial abgefedert werden und dürfen nicht ihre
Lenkungswirkung verfehlen: So wollen wir aus den Einnahmen des CO2-Preises die
EEG-Umlage vollständig abschaffen und die Stromsteuer und die Umsatzsteuer
deutlich senken, damit strombasierte Technologien wie die Elektromobilität oder
Wärmepumpen („Sektorenkopplung“) attraktiver werden. Ergänzend soll ein
Klimawohngeld dafür sorgen, dass sich Wohngeldempfänger:innen auch neue oder
sanierte Wohnungen leisten können und investitionsbedingte Mieterhöhungen nicht
zu sozialen Verwerfungen führen. Außerdem müssen die Mehrkosten durch den CO2-
Preis beim Heizen vollständig von den Vermieter:innen getragen werden – denn nur
sie können eine umweltfreundliche Heizungsanlage einbauen!
Die Entfernungspauschale wollen wir in ein Mobilitätsgeld umwandeln. Die
geltende Pauschale von 30 Cent pro Kilometer Entfernung zum Arbeitsplatz
reduziert das zu versteuernde Einkommen - wer viel verdient, profitiert mehr.
Das Mobilitätsgeld von 10 Cent pro Entfernungskilometer soll hingegen direkt von
der
Steuerlast abgezogen werden. Der finanzielle Vorteil für Besserverdienende würde
damit zugunsten der Geringverdienenden aufgehoben.
Darüber hinaus wollen wir die verbleibenden Einnahmen aus dem CO2--Preis mit
einer Pro-Kopf-Klimaprämie an die Bürger:innen zurückerstatten und so einen
kurzfristigen Umverteilungseffekt erzielen. Denn es sind vor allem Wohlhabende,
die am meisten zur Klimakrise beitragen!
2. Energiewende
Die Grundlage für das Erreichen von Klimaneutralität ist eine vollständig
erneuerbare Energieversorgung. Der gesamte Energiebedarf der Energiewirtschaft,
des Verkehrs, der Gebäudeheizung und der Industrie muss durch einen Mix aus 100%
regenerativer Energie gedeckt werden. Diese Umstellung verändert das
Energiesystem grundlegend: Weg von einem fossilen, zentralen und starren, hin zu
einem erneuerbaren, dezentralen und flexiblen Energiesystem.
Für uns ist die Energiewende deshalb nicht einfach nur eine klimapolitische
Notwendigkeit oder ein technisches Konzept, sondern auch eine grundlegende
sozialdemokratische Idee: Die Erzeugung und der Transport von Energie gehören
nicht in die Hände großer Konzerne, sondern müssen dem Gemeinwohl dienen. Unsere
Energiewende geschieht von Bürger*innenhand!
Deutschland steht heute gut da: 17% des Primärenergiebedarfs werden bereits aus
Erneuerbaren Energien gedeckt, beim Strom sind es sogar 46%. Jetzt braucht es
neue Impulse, um die bisher reine Stromwende zu einer echten Energiewende zu
machen und auch in den Bereichen Verkehr, Wärme und Industrie den Erneuerbaren
zügig zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür ist ein neues System der Steuern und
Abgaben am Energiemarkt notwendig, ebenso wie ein klarer Fahrplan für den Ausbau
der Erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur, der eine
vollständig erneuerbare Energieversorgung bis 2035 ermöglicht.
Die Umstellung auf ein vollständig erneuerbares Energiesystem birgt die
Notwendigkeit, aber auch die Chance, den Primärenergiebedarf massiv zu senken
und aus heimischen Quellen zu decken. 2020 wurden noch knapp 3250 TWh an Energie
für die Bereiche Strom, Gebäudeheizung, Mobilität und Industrie verbraucht,
wovon knapp 70% importiert wurden. Ein vollständig erneuerbares Energiesystem
kommt, einer kürzlich erschienen Studie des DIW zufolge, hingegen mit gut 1200
TWh aus. Das gelingt durch den Ausstieg aus ineffizienten Verbrennungsprozessen
mit fossilen Energieträgern und den Einstieg in die direkte Nutzung von
erneuerbar erzeugtem Strom in Form von Power-To-X-Technologien im Rahmen der
Sektorenkopplung, die zu erheblichen Effizienzgewinnen führen. Gleichzeitig sind
wir aber überzeugt, dass es auch tatsächliche Effizienzgewinne durch eine
Umstellung unseres Wirtschaftssystems auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
dringend braucht.
Während der Primärenergiebedarf deutlich sinkt, wird der Strombedarf durch die
Sektorenkopplung in den nächsten Jahren z.B. durch Wärmepumpen, Elektromobilität
oder Wasserstoff massiv ansteigen. Angelehnt an die aktuelle Studienlage und um
einen zusätzlichen Puffer für eine schneller Dekarbonisierung zu schaffen, gehen
wir von einem Anstieg des Strombedarfs auf mehr als 700 TWh bis 2030 und über
1200 TWh beim Erreichen einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung im Jahr
2035 aus. An diesen Zielen muss sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien
orientieren und bis 2030 zu mindestens 80% und bis spätestens 2035 zu 100% den
Strombedarf
decken. Um die Ziele tatsächlich zu erreichen, muss das jährliche Energiewende-
Monitoring der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit allen großen Instituten des
Landes eine ständig angepasste Prognose über den künftigen Primärenergie- und
Strombedarf enthalten, um auf aktuelle Entwicklungen unmittelbar reagieren zu
können.
Um unseren Energiebedarf in allen Sektoren künftig erneuerbar decken zu
können, ist braucht der Ausbau der Erneuerbaren Energien im wahrsten Sinne des
Wortes mehr Power. Wir streben dafür einen Energiemix aus Wind, Sonne,
Wasserkraft, Biomasse und Geothermie sowie die Koppelung an eine Power-To-X-
Wirtschaft an.
Doch: Mit den unübersichtlichen Regeln des aktuellen Erneuerbare-Energien-
Gesetzes (EEG) und einem Wirrwarr aus Ausschreibungen, Direktvermarktungen,
Stromkaufvereinbarungen (sogenannte Power-Purchase Agreements oder PPAs) und
Förderungen werden wir den Ausbau der Erneuerbaren nicht schnell genug
vorantreiben können. Deshalb streben wir eine Rückkehr zu den Anfängen des EEG
und feste staatliche Einspeisevergütungen an Stelle von Ausschreibungen an. Das
macht es für Bürger*innen und Genossenschaften wieder einfacher und attraktiver,
selbst die Erneuerbaren auszubauen, statt die Energiewende großen Konzernen zu
überlassen. Waren die hohen Fördersummen für die Einspeisevergütung der
Erneuerbaren Energien Anfang des Jahrtausends noch ein echter Preistreiber, sind
die Erneuerbaren heute die günstigste Form der Energieerzeugung, sodass sie mit
sehr geringen oder sogar ganz ohne Fördersummen auskommen.
Wir wollen mit der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, der
nötigen Flächenausweisung und der Direktförderung den Ausbau der Erneuerbaren
Energien deutlich beschleunigen und jährliche Mindestausbauziele statt
Höchstgrenzen festlegen. Bei Zielverfehlung steigen die Einspeisevergütungen,
bei Zielerreichung sinken sie – so erreichen wir den nötigen Ausbau sicher und
zu ökonomisch opportunen Kosten.
Konkret erachten wir einen Ausbau der installierten Photovoltaik-Leistung auf
mindestens 150 GW, der On-Shore Windenergie auf mindestens 100 GW und der Off-
Shore Windenergie auf 25 GW bis 2030 für nötig, um unser Ziel einer vollständig
erneuerbaren Energieversorgung bis 2035 zu erreichen.
Um das zu erreichen, wollen wir im Bereich der On-Shore Windenergie deutlich
mehr Flächen bereitstellen - und zwar durchschnittlich 2% der Landes- und
Gemeindeflächen. Genehmigungsverfahren müssen verkürzt und vereinfacht werden,
Instrumente zur Vorplanung in Windvorranggebieten stärker genutzt und
artenschutzrechtliche Vorgaben bundesweit vereinfacht werden: Die Genehmigung
eines Windparks darf in Zukunft nicht mehr sechs Jahre dauern, sondern muss in 6
Monaten gelingen!
Um die Akzeptanz der Windkraftanlagen in den Standortgemeinden zu stärken,
wollen wir Teilhabe der Bürger:innen sowohl finanziell wie auch im Prozess
ausweiten und dafür sorgen, dass im Sinne einer echten Bürger:innen-Energiewende
vor allem die Kommunen profitieren.
Windenergieanlagen auf dem Meer haben große Vorteile, denn sie liefern
verlässlich und nahezu über das gesamte Jahr Strom. Mittlerweile kann Strom aus
Offshore-Anlagen ohne EEG-Förderung erzeugt werden und ist ideal für die
Herstellung von grünem Wasserstoff. Zwar sind bis 2030 20 Gigawatt Leistung
geplant, ein Großteil allerdings erst Ende des Jahrzehnts. Das ist zu langsam.
Im selben Zeitraum müssen 25 Gigawatt erreicht werden. Um das zu schaffen,
braucht es ausreichend Raum für Offshore-Windparks. Die Netzanbindung muss
sichergestellt, die Flächenentwicklungspläne für Nord- und Ostsee unverzüglich
angepasst werden: Wir schlagen vor, Konflikte in der Nutzung mit anderen
Akteur:innen und zuständigen Verbänden zu lösen, also Vertreter:innen aus
Schifffahrt, Militär, Fischerei und Naturschutz in die Planungen einzubeziehen.
Außerdem soll Deutschland zügig in Verhandlungen mit Dänemark und den
Niederlanden zur Umsetzung gemeinsamer Offshore-Projekte einsteigen.
Solarenergie ist eine zentrale Säule der Energiewende. Auch hier braucht es
deutlich mehr Tempo: Ende 2020 waren etwa 54 Gigawatt Photovoltaik in
Deutschland installiert, bis 2030 ist mindestens eine Verdreifachung notwendig.
Grundsätzlich gilt: Versiegelte Flächen vor! Wir wollen deshalb eine
Solarpflicht für Neubauten sowie Dachsanierungen bei Wohn- und Nichtwohngebäuden
inklusive Parkplätzen einführen. Innovative Formen wie Fassaden-,
Lärmschutzwall- und Agrarphotovoltaik wollen wir durch separate Einspeisetarife
fördern. Über die Standorte von Freiflächen-Photovoltaikanlagen sollen die
Kommunen künftig allein entscheiden und von den Ländern fachliche Unterstützung
bei der Ausweisung erhalten.
Das Ziel einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung bis 2035 bedeutet
auch: Ein Kohleausstieg bis 2038 ist zu spät. Deutschland muss bis 2030 komplett
aus der Kohleverstromung aussteigen. Zur Wahrheit gehört: Durch den starken
Anstieg des CO₂-Preises im europäischen Emissionshandel und verbunden mit einem
künftig schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien wird der Betrieb von
Kohlekraftwerken für die Kraftwerksbetreiber:innen bereits bis 2030 nicht mehr
wirtschaftlich darstellbar sein. Der Markt ist hier schneller als die Politik.
Gerade als Sozialdemokrat:innen müssen wir ehrlich mit den Anwohner:innen von
Kohleregionen wie der Lausitz und den Beschäftigten umgehen: Die von der
Bundesregierung beschlossenen Strukturwandelhilfen müssen schneller eingesetzt,
gegebenenfalls erhöht und in Verkehrsinfrastruktur, den Aufbau neuer Industrien
und Arbeitsplätze investiert werden. Halten wir an den politisch vereinbarten
Zielmarken fest, wird der Strukturwandel scheitern!
Gleichzeitig gilt aber auch: Einen politisch auf 2030 festgesetzten
Kohleausstieg lehnen wir ab, da daraus die Notwendigkeit zusätzlicher
Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber:innen als Konsequenz aus der
Energy Charta Treaty resultiert. Statt großen Unternehmen ihre in fragwürdigen
Investitionsschutzabkommen zugesicherten Entschädigungen zu erhöhen, wollen wir
lieber in den Strukturwandel und den Ausbau der Erneuerbaren investieren und so
bereits bis 2030 für vitale und klimaneutrale Kohleregionen sorgen.
Am Atomausstieg halten wir fest.
Ohne Netzausbau geht gar nichts. Doch dieser kommt aktuell nur schleppend voran.
Schwerfällige Planungsverfahren und rechtliche Hürden führen sogar dazu, dass
fossil betriebene Kraftwerke als “staatliche Reserve” länger als nötig in
Betrieb bleiben. Um gegenzusteuern, müssen Übertragungsnetze so geplant und
gebaut werden, dass sie insbesondere den zusätzlichen Strom aus Offshore-
Windparks zuverlässig transportieren können.
Um die Netzauslastung zu optimieren und Strom für die Herstellung von grünem
Wasserstoff, das Aufladen von Elektroautos und den Betrieb von Wärmepumpen
flexibler und angepasst an die aktuelle Stromerzeugung aus Erneuerbaren zu
verbrauchen („Spitzenglättung“), wollen wir den flächendeckenden Einbau
intelligenter Stromzähler („Smart Meter“) nicht erst bis 2032, sondern bereits
bis 2025 erreichen.
Einzelne Erneuerbare Energien sind nicht 24/7 gleichbleibend verfügbar: Sie sind
“Teamplayer:innen”, ergänzen sich und machen fossile Energieträger überflüssig –
solange für ausreichend Speicher gesorgt wird. Power-to-X bezeichnet
verschiedene Technologien zur Umwandlung und Speicherung von Stromüberschüssen,
wenn zum Beispiel die Sonne im Breisgau mal wieder tagelang scheint oder an der
Nordseeküste eine steife Brise weht. Diese Überschüsse können bei Bedarf
abgerufen werden, beispielsweise an bewölkten und windstillen Tagen. In
Forschung und Entwicklung von Power-to-X-Anlagen fließen bereits heute hohe
Fördersummen aus Deutschland und Europa, aber ihr Betrieb ist dennoch häufig zu
teuer. Damit diese Speicher reifen und billiger werden, müssen sie jetzt im
großen Stil eingesetzt werden. Deshalb wollen wir nicht nur die Forschung,
sondern auch den Betrieb solcher Anlagen staatlich fördern und streben an,
gespeicherten Strom von allen Abgaben und Umlagen zu befreien. Denn die
Speicherung von Energie ist eine notwendige Systemdienstleistung!
Darüber hinaus wollen wir die Versorgungssicherheit über die Spitzenglättung,
den Ausbau zusätzlicher zentraler Batteriespeicher und den Ausbau von
Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung unter dem Einsatz erneuerbarer Gase
sicherstellen und finanziell stärker honorieren als bisher.
Bei allen diesen Umstellungen wollen wir zurück zu unseren Wurzeln: Einer
Energiewende die aufs Konto der Bürger:innen einzahlt und ihnen mehr
Mitbestimmung eröffnet. Landauf, landab gibt es bereits vorbildliche Projekte
von Engagierten, die die Energiewende vor Ort selbst in die Hand nehmen. Wir
möchten Ansätze wie Bürger:innenwerke, Energiegenossenschaften und
Mieter:innenstrommodelle fördern. Ihre Rahmenbedingungen sollen verbessert, ihre
Gründung vereinfacht werden - beispielsweise durch Unterstützung von
Stadtwerken. Unser Ziel lautet, die Energiewende so dezentral wie möglich zu
organisieren und nicht nur zur größten klimapolitischen Umstellung, sondern auch
zur größten Umverteilungsaktion in diesem Land zu machen!
3. Wärmewende
Die Wärmeversorgung ist der hidden champion beim Klimaschutz: So ist die
Wärmeversorgung für 40% des Endenergiebedarfs und ein Drittel der
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Doch gerade in diesem Bereich sind mit
Blick auf die langen Investitionszyklen nur relativ langsame Umstellungen
möglich, sodass der Gebäudesektor 2020 sein im Bundes-Klimaschutzgesetz
festgelegtes Emissionsziel verfehlte! Umso schlimmer: Obwohl er gesetzlich zu
einem Sofortprogramm zur Zielerreichung ab dem nächsten Jahr verpflichtet ist,
hat Horst Seehofer als zuständiger Minister bis heute kein ausreichendes
Sofortprogramm vorgelegt. Das zeigt einmal mehr: Die Union verspielt unsere
Zukunft!
Um den Gebäudebestand bis 2035 klimaneutral zu gestalten, muss die geplante
Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sofort erfolgen und die
energetische Gebäudesanierung und den Einsatz erneuerbarer Heizenergien
beschleunigen.
Das GEG wollen wir dahingehend anpassen, dass ab 2023 im Neubau der Einsatz von
fossilen Öl- und Gasheizungen nicht mehr möglich ist und die Gebäude den KfW-40-
Effizienzstandard erfüllen. Das ist bereits heute für einen Großteil der
Neubauten der Fall und technisch kein Problem.
Doch auch im Gebäudebestand haben fossile Heizsystem keine Zukunft, sodass es
auch hier ab 2024 keinen Einbau neuer Öl- und Gasheizungen mehr geben darf. Das
ist eine große Herausforderung, denn nicht mal 20% des Gebäudebestands
entsprechen den aktuellen energetischen Sanierungsstandards. Mit der kostenlosen
Erstellung verpflichtender Sanierungsfahrpläne zeigen wir für jedes Gebäude den
Weg zur Klimaneutralität auf. Für die Förderung von energetischer
Gebäudesanierung und erneuerbarer Wärme in Gebäuden möchten wir deshalb die
“Bundesförderung effiziente Gebäude” auf 12 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Klimaschonende Alternativen wie Solarthermie, Wärmepumpen und Holzpellets
bringen wir damit schneller in die Wohnungen und Häuser.
Für Haushalte mit niedrigen Einkommen wollen wir darüber hinaus eine erhöhte
Förderung für den Austausch von Öl- und Gasheizungen ansetzen. Außerdem möchten
wir die Heizkostenverordnung so verändern, dass die CO₂-Preis-bedingten
Mehrkosten fürs Heizen nicht mehr auf Mieter:innen umgelegt werden dürfen. Denn
nur die Vermieter:innen können die Heizungsanlage eines Gebäudes austauschen und
damit den CO2-Ausstoß je verbrauchter Kilowattstunde beeinflussen! Sozialer
Kälte – im wahrsten Sinne des Wortes – erteilen wir eine klare Absage.
Fern- und Nahwärme aus klimaschonenden Energieträgern hat großes Potenzial, um
ganze Quartiere zu versorgen und die Wärmeversorgung von einer privaten zu einer
öffentlichen Aufgabe zu machen. Die Länder sollen deshalb schrittweise zur
Durchführung kommunaler Wärmeplanungen für alle Gemeinden, beginnend bei den
bevölkerungsstärksten, verpflichtet werden. Hierdurch können Fern- und
Nahwärmenetze deutlich besser geplant werden. Durch den verstärkten Einsatz von
Großwärmepumpen, Solar- und Geothermie, industrieller Abwärme und grünem
Wasserstoff wollen wir den Anteil klimafreundlich erzeugter Wärme bis 2030
mindestens verdoppeln.
4. Verkehrswende
“Autogerecht” sollten sie sein: Mitte des 20. Jahrhunderts orientierte sich die
Stadtplanung vor allem am motorisierten Individualverkehr. Das hatte gute Gründe
- passt aber nicht mehr in unsere Lebensrealität. Die Mobilität der Zukunft muss
klimaschonend gedacht werden und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dafür
soll ein neues Bundesmobilitätsgesetz sorgen - dieses beinhaltet Ziele für mehr
Umwelt- und Klimaschutz sowie Lebens- und Aufenthaltsqualität in Städten und
Dörfern.
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist ein wichtiges Planungsinstrument für
Schiene, Straße und Wasserwege. Bislang folgt er der Logik, dort auszubauen, wo
Engpässe zu vermuten sind. Das ist jedoch nicht zeitgemäß - im BVWP 2030 sind
zahlreiche Aus- und sogar Neubauprojekte von Bundesfernstraßen enthalten und
ignoriert das sogenannte Verkehrsparadoxon: Wo bessere Infrastruktur
bereitsteht, entwickelt sich mehr Verkehr. Klimaneutralität lässt sich so nicht
erreichen. Wir fordern deshalb einen “Klimacheck” für den
Bundesverkehrswegeplan: Sämtliche im BVWP gelisteten Projekte sollen darauf
untersucht werden, ob sie klimaschonenden Verkehr fördern. Danach werden sie neu
priorisiert oder aus den Bedarfsplänen gestrichen.
Ab dem Jahr 2030 wollen wir keine Fahrzeuge mit fossilem Verbrennungsmotor mehr
zulassen – eine großer Herausforderung für das Automobilland Deutschland.
Dennoch ist das der richtige Schritt: Zum einen wird der klassische Verbrenner
schon bald international nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Wer sich an diese
Technologie von gestern klammert, riskiert, dass Deutschland seine führende
Rolle in der Autoindustrie verliert. Zum anderen sind fossile Verbrenner mit der
Maßgabe Klimaneutralität bis 2035 nicht vereinbar. Automobilunternehmen,
Zulieferbetriebe und vor allem die dort Beschäftigten sollen diesen Prozess
mitgestalten. Wir wollen diese Gruppen bereits 2022 mit Vertreter:innen aus
Politik und Umweltverbänden an einen Tisch bringen. Nach dem Vorbild der
“Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” (kurz:
Kohlekommission) sollen sie gemeinsam Vorschläge für einen sozialverträglichen
Verbrennerausstieg erarbeiten.
Im Individualverkehr erweist sich E-Mobilität als effizient. Bis 2025 sollen
mindestens 5 Millionen, bis 2030 mindestens 15 Millionen batterieelektrische PKW
auf den Straßen unterwegs sein. Die Kfz-Steuer wollen wir so umbauen, dass sich
der Kauf eines E-Autos gegenüber dem eines Verbrennerfahrzeugs auch dauerhaft
und spürbar finanziell lohnt. Kaufprämien wollen wir dagegen auslaufen lassen,
da sie vor allem eine Subvention für Gutverdienende sind. Die Förderung von
Plug-In-Hybriden muss bereits im nächsten Jahr auslaufen; die Förderung
vollelektrischer Fahrzeuge in einem angemessenen zeitlichen Abstand zum
Verbrenner-Aus. Mit den freiwerdenden Mitteln wollen wir stattdessen den ÖPNV
stärken und in einen Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren. Mit einem neuen
Masterplan Ladeinfrastruktur wollen wir den Aufbau von genügend
Lademöglichkeiten beschleunigen und insbesondere strukturell-unterversorgt
Gruppen, wie die Menschen im ländlichen Raum, Mieter:innen und
Berufspendler:innen am Arbeitsplatz in den Fokus rücken.
Eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur sorgt nicht nur für eine schnellere
Verkehrswende, sondern trägt auch zur Stabilität eines zukünftigen
Energiesystems bei: Unter dem Stichwort der Sektorenkopplung – also der
Vernetzung aller Bereiche des Energiesystem – wollen wir das volle Potenzial der
E-Mobilität nutzen und batterieelektrische Fahrzeuge in einem digitalisierten
Stromnetz zur Zwischenspeicherung von überschüssigem Strom oder zur
Netzstabilisierung („Demand Side Management“/ „Spitzenglättung“) einsetzen.
Grünen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollten mit Blick auf deren
Energieeffizienz dagegen mit Bedacht eingesetzt werden und dem Langstrecken- und
Schwerlastverkehr sowie Flugzeugen und Schiffen vorbehalten bleiben. Die Zukunft
ist elektrisch!
Das eigene Auto ist auf Pendelstrecken, für die Arbeit und viele andere
Situationen wichtig, gerade im ländlichen Raum. Um die Verkehrswende zu
schaffen, wollen wir das Privatfahrzeug wie auch Kurzstreckenflüge Schritt für
Schritt überflüssig machen. Car-, Bike- und sonstige Sharing-Angebote wollen wir
ausweiten. Gerade im ländlichen und vorstädtischen Raum sollen die Kommunen,
Landkreise und Stadtwerke dafür zusammen Konzepte entwickeln.
Wir fordern eine Schienenoffensive, die Deutschlands Bahninfrastruktur ins 21.
Jahrhundert holt und Verspätungen und Störungen der Vergangenheit angehören
lässt. Zwar wurden die Bundes-Investitionen in den letzten Jahren deutlich
angehoben, im europäischen Vergleich hinkt Deutschland dennoch hinterher: 2020
steckte Deutschland 88 Euro pro Bürger:in ins Schienennetz - Norwegen 228, die
Schweiz 440, Luxemburg gar 567 Euro. Deutschland darf den Anschluss nicht
verlieren und muss bei den Investitionssummen nachziehen.
Der Schienenverkehr muss vor allem im ländlichen Raum wieder einen höheren
Stellenwert bekommen, um allen Menschen ein effizientes öffentliches
Mobilitätsangebot machen zu können. Deshalb wollen wir stillgelegte Bahnstrecken
reaktivieren und mit einer angemessenen Taktung ausstatten. Bahnhöfe wollen wir
zu barrierefreien und vitalen Mobilitätsknotenpunkten in Verbindung mit
Bushaltestellen, Park + Ride-Plätzen mit Ladestationen für die E-Mobilität, Car-
und Bike-Sharing-Angeboten sowie Einkaufs- und Dienstleistungsangeboten
weiterentwickeln. Um auch im Fernverkehr eine echte Alternative zum Flugzeug zu
sein, müssen das Schnellzug- und das Nachtzugnetz ausgeweitet bzw. aufgebaut
werden.
Um den Gütertransport zu dekarbonisieren und die Autobahnen zu entlasten, wollen
wir wieder mehr Güter auf der Schiene transportieren. Viele Unternehmen haben
daran bereits heute ein großes Interesse, werden aber durch eine mangelhafte
Infrastruktur ausgebremst. Dafür müssen die Fördermittel des Bundes deutlich
aufgestockt werden.
Insgesamt müssen insbesondere Raumordnungsverfahren und
Umweltverträglichkeitsprüfungen für Schienenprojekte deutlich vereinfacht
werden, um unmittelbare bauliche Fortschritte erzielen zu können.
Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver machen. Die Taktung
von Bussen und Bahnen soll dauerhaft erhöht werden. In Großstädten soll der 5-
Minuten Takt die Regel sein, in Verdichtungsräumen der 15-Minuten-Takt und in
ländlichen Gebieten mindestens der 1-Stunden-Takt. Außerdem möchten wir zwischen
5 und 24 Uhr eine Mobilitätsgarantie einführen: In diesem Zeitraum sollen ÖPNV-
Angebote an allen Wochentagen überall nutzbar sein. Um das zu realisieren,
setzen wir neben klassischen Fahrplänen auf “On-Demand-Services” – telefonisch
oder via App können so bei Bedarf beispielsweise Kleinbusse bestellt werden.
Wir kämpfen für einen ticketlosen, also komplett gebührenfreien Nahverkehr, denn
Mobilität ist für uns kein privates Anliegen, das vom eigenen Geldbeutel oder
Wohnort abhängt, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe und die
Grundvoraussetzung von Teilhabe.
Als Zwischenschritt befürworten wir 365 Euro-Jahrestickets pro Bundesland und
vergleichbare Modelle, die insbesondere Kindern und Jugendlichen – die
zwangsläufig ohne eigenen PKW mobil sein müssen – eine adäquate und günstige
Mobilitätsoption an die Hand gibt.
Kommunen wollen wir zur Finanzierung des ÖPNV eine weitere Einnahmequelle
ermöglichen: Eine Nahverkehrsabgabe für Unternehmen mit 10 oder mehr
Mitarbeiter:innen. Nach dem Vorbild Frankreichs können Kommunen dann selbst
entscheiden, diese Abgabe zu erheben. Auch die jeweilige Höhe wird von der
Gemeinde festgelegt.
5. Industriewende
Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts verlangt eine
Wirtschaftspolitik, die Betriebe wie Beschäftigte bei der Transformation
unterstützt. Die Dekarbonisierung wird nur zum Erfolg, wenn auch die
Energiewende gelingt, denn unsere Stromproduktion muss nicht nur klimaneutral
geschehen, sondern auch für den steigenden Stromverbrauch der Industrie
ausgebaut werden. Manche Industrieanlagen werden bald einen Offshore-Windpark
für sich alleine brauchen. Darauf muss kluge Wirtschaftspolitik vorausschauend
reagieren.
Grund für den steigenden Strombedarf ist vor allem die Nutzung von Wasserstoff
als Energieträger in der Industrieproduktion. Damit dieser auch klimaneutral
erzeugt wird, wir also von “grünem Wasserstoff” sprechen können, bedarf es einer
neuen Wasserstoffstrategie. Eine Wasserstoffstrategie 2.0 muss Bedarfe ehrlich
erfassen, entsprechende Ziele formulieren und letztlich zu deren Umsetzung
beitragen. Dabei spielen neben der Produktion auch Transport und Lagerung eine
zentrale Rolle. Lange wurde der zukünftige Strombedarf zu geringgeschätzt und so
wichtige Zeit verloren. Mit der Stromlüge muss nun Schluss sein und das
Industrieprojekt klimaneutrales Deutschland endlich angepackt werden.
Aber auch an der Substanz der deutschen Industrie werden massive Veränderungen
nötig. Mehr als die Hälfte alle energieintensiven Industrieanlagen werden neu
gebaut werden müssen. Damit Industrieabwanderung vorgebeugt und Lock-In-Effekte
verhindert werden können, müssen die entsprechenden wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Ein Mittel dafür können Klimaschutzverträge bzw. “Carbon Contracts for
Difference” sein. Solche Verträge zwischen dem Bund und einem Unternehmen sorgen
für Planungssicherheit, minimieren Risiken und beschleunigen den Wandel zur
klimaneutralen Wirtschaft. Für Anschaffung und Betrieb klimaneutraler
Technologien wird eine feste Prämie pro vermiedener Tonne CO₂-Äquivalente
festgelegt, die CO₂-Vermeidungskosten gegenüber klimaschädlichen
Referenzinvestitionen kompensiert. Kurzum: Klimaschutzverträge kurbeln
Investitionen in klimaneutrale Industrieanlagen massiv an. Ändern sich die
Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit, beispielsweise durch steigende
CO₂-Preise, wird der Vertrag entsprechend angepasst. Das Schließen solcher
Klimaschutzverträge muss dabei an Faktoren wie dem CO₂-Vermeidungs- und
Transformationspotential gemessen werden.
Doch auch mit einem Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien lässt sich ein
lineares Wirtschaftssystem nicht nachhaltig betreiben. Viel mehr braucht es eine
Kreislaufwirtschaft, die dem Grundsatz „Cradle To Cradle“ folgt und die
Vermeidung von Abfällen durch ein konsequentes Wertstoff-Denken voranbringt: Nur
wenn wir alle Materialien für Konsum und Produktion so designen, dass sie
Grundlage für weiteres Wirtschaften anstatt für eine Sondermüll-Entsorgung sind,
können wir die steigende Inanspruchnahme von Land, Energie und Primärrohstoffen
wirksam stoppen und umkehren.
Vor allem der Bausektor spielt als größter Ressourcenverbraucher dafür eine
entscheidende Rolle. Wir setzen deshalb auf eine klare Vorfahrt für die
Sanierung und den Erhalt von Gebäuden und eine Standortpolitik, die
Infrastruktur und Menschen auch in ländlichen Räumen hält, anstatt dem
Urbanisierungs-, und damit Neubauzwang, weiter folgt. Für uns ist klar: Das
nachhaltigste Gebäude ist das, was schon steht!
Doch auch in Zukunft lässt sich Bauen nicht vollständig vermeiden, sodass wir
hier dringend eine andere Rohstoffpolitik brauchen: Anstatt mineralische
Baustoffe wie Beton oder Stahl einzusetzen, die nur unter hohem Energieaufwand
und mit dem Abbau von Rohstoffen hergestellt werden können, setzen wir auf
nature-based solutions wie das Bauen mit Holz, Stroh, Hanf oder anderen
nachhaltigen Bau- und Dämmstoffen. Denn diese vermeiden nicht nur
Energieverbrauch und Emissionen, sondern können langfristig Kohlenstoff in sich
speichern und zum Aufbau kreislauffähiger Ökosysteme beitragen.
Auch der Rückbau von Gebäuden muss viel stärker in den Mittelpunkt gerückt
werden und direkt beim Neubau bedacht werden. So wollen wir gemeinsam mit dem
Beantragen einer Baugenehmigung die Pflicht zur Erstellung eines Rückbauplans
einführen, der eine klare Perspektive für die Weiterverwendung der in einem
Gebäude eingesetzten Rohstoffe nach dem Abriss definiert und nicht-
recyclingfähige Baustoffe schrittweise verbietet.
6. Finanzwende
An der Finanzierung darf ein klimaneutrales Deutschland nicht scheitern. Diese
industrielle Revolution verlangt deshalb eine Finanzpolitik, die mutig anpackt.
Die dafür notwendigen Mittel können Bund und Länder vielfach aus ihren
Steuereinnahmen decken. Wo das nicht der Fall ist, muss sich unsere
Fiskalpolitik den Anforderungen anpassen. – Die schwarze Null darf den Weg zur
Klimaneutralität nicht gefährden!
Der einfachste Weg, um Mittel für Investitionen in ein klimaneutrales
Deutschland zu gewinnen und gleichzeitig schon aktiv etwas für den Klimaschutz
zu tun, liegt im
Abbau der klimaschädlichen staatlichen Subventionen. Allein auf Bundesebene sind
das pro Jahr über 50 Milliarden Euro. Erfasst sind also genauso wenig
Subventionen der Länder und Kommunen wie nicht-finanzwirksame also indirekte
Subventionen beispielsweise durch Bürgschaften. Um das 1,5-Grad-Ziel zu halten,
müssen alle Formen klimaschädlicher Subventionen abgebaut werden – dazu zählen
insbesondere die Kerosinsteuerbefreiung, die Entfernungspauschale oder das
Dieselprivileg.
Dennoch ist klar, dass die überwältigende Mehrheit der eingesetzten Mittel
private Investitionen sein werden. Deshalb befürworten wir eine ambitionierte
Ausgestaltung der EU-Taxonomie, die einen klaren Rechtsrahmen für nachhaltige
Geldanlagen definiert.
7.Agrarwende
Der Fortbestand der landwirtschaftlichen Strukturen in Deutschland und Europa
ist auf dramatische Art und Weise gefährdet: Während die Landwirtschaft die
Klimakrise durch CO2-, Methan-, und Lachgasemissionen weiter anheizt, ist sie
gleichzeitig wie kein anderer Sektor von den Folgen der Erderhitzung betroffen.
Drei Dürresommer in Folge, Überschwemmungen, das Sinken des Grundwasserspiegels
- Bäuerinnen und Bauern spüren die Auswirkungen der Klimakrise tagtäglich.
Gleichzeitig hat u.a. eine einseitige Fokussierung auf den globalen Wettbewerb
dazu geführt, dass auch das Geschäftsmodell des Großteils landwirtschaftlicher
Betriebe nicht mehr nachhaltig ist. So ist die Zahl der Betriebe in nur 50
Jahren von 1,1 Millionen (alte BRD) auf nur noch 263.500 gesunken. Und wir
verlieren weitere 2-3% unserer Betriebe - jährlich! Die Landwirtschaft befindet
sich damit nicht nur in einer ökologischen, sondern auch ökonomischen und
sozialen Krise. Das wollen wir ändern. Denn der Agrar- und Forstsektor ist der
einzige Sektor, der sogar klimapositiv werden und damit einen herausragenden
Beitrag zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann!
Deshalb stellen wir uns hinter die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen der
Zukunftskommission Landwirtschaft und wollen eine entschlossene Agrarwende
umsetzen. Agrarsubventionen rein nach Fläche, so wie sie heute noch
hauptsächlich ausgezahlt werden, müssen zügig und planbar abgeschafft werden.
Stattdessen braucht es eine schrittweise vollständige Umwandlung in Zahlungen,
welche die Bereitstellung und den Schutz öffentlicher Güter fördern und
schützen. Unsere Landwirtschaftspolitik folgt dem Motto: Öffentliches Geld für
öffentliche Leistungen statt privater Gewinne! Nur auf diesem Weg wird es
gelingen, die immense Ungleichverteilung öffentlicher und zumeist nicht
nachhaltiger Subventionen zu stoppen und langfristig gute Einkommen für
Bäuerinnen und Bauern zu sichern. Es muss erklärtes Ziel sein, die Anzahl an
Betrieben wieder zu steigern, beispielsweise durch einen privilegierten Zugang
zu landwirtschaftlichen Böden für Junglandwirt:innen und eine degressive Hektar-
basierte Startprämie.
Wir setzen uns für faire Marktbedingungen für Landwirt:innen ein und wollen die
oligopolistischen Strukturen im Lebensmittelhandel aufbrechen. Insbesondere die
Förderung der Direktvermarktung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die
Geringschätzung von guten und gesunden Lebensmitteln und Billigpreise müssen der
Vergangenheit angehören.
Die hauptsächliche Verwendung von saisonalen, regionalen und überwiegend
pflanzenbasierten, Produkten in öffentlichen Einrichtungen sollte deshalb
zukünftig selbstverständlich sein.
Im Moment landet ein Drittel der Lebensmittel in Deutschland im Müll. Wir sagen:
Lebensmittel sind zu gut für die Tonne! Es braucht deshalb eine Verpflichtung
für den Lebensmittelhandel, noch genießbare Lebensmittel zu spenden. Das Retten
dennoch weggeschmissener Nahrungsmittel (sog. Containern) muss darüber hinaus
entkriminalisiert werden.
Eine starke Reduktion des Tierbestandes und des Konsums tierischer Lebensmittel,
insbesondere mindestens eine Halbierung des Fleischkonsums, ist der effektivste
Weg, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. So können wir auf den Import
großer Mengen an Futtermitteln, vorrangig aus Südamerika, verzichten und die
Stoff- und Futterkreisläufe wieder selbst schließen. Massentierhaltung auf der
einen und ein zu geringer Viehbesatz auf der anderen Seite gehören so endlich
der Vergangenheit an. Wir streben einen Viehbesatz von 1-2 Großvieheinheiten
(GVE) je Hektar und gleichzeitig vorrangig eine Grünlandhaltung an. Das bedeutet
nicht nur eine artgerechte Haltung unseres Viehs, sondern auch den sukzessiven
Aufbau neuer Grünlandflächen als artenreichste Biotope und starke
Kohlenstoffsenken.
Außerdem wollen wir die Subventionen und Steuerprivilegien für die Produktion
und den Vertrieb tierischer Produkte drastisch reduzieren.
Wichtig ist, die Agrarwende ganzheitlich zu denken und die globalen Folgen der
deutschen und europäischen Landwirtschafts- und damit auch Handelspolitik im
Blick zu haben. Eine maßgebliche Verringerung des globalen Fußabdrucks der
deutschen Landwirtschaft muss durch eine fast vollständige Verwendung von
regionalen Futtermitteln erzielt werden. Es braucht darüber hinaus einen
Einfuhrstopp von Agrar-Produkten, die im Ausland die Umwelt zerstören und
Menschenrechte verletzen. Klar ist auch: das Mercosur-Abkommen muss weiterhin
verhindert werden. Die SPD muss sich mit ganzer Kraft gegen ausbeutende und neo-
kolonialistische Handelspraktiken einsetzen!
Mit einer vorrangig pflanzenbasierten Ernährung ist auch eine stärkere
Ausweitung des Ökolandbaus vorstellbar. Wir streben eine Ausweitung des
ökologischen Landbaus auf mindestens 30% der landwirtschaftlich genutzten Fläche
bis 2030 an. Durch diese Umstellung und weitere technische Anpassungen lässt
sich der Einsatz mineralischer Düngemittel bis 2030 um mindestens 20%
reduzieren, wodurch 80% der Lachgasemissionen vermieden werden können.
Aktiv gefördert werden muss das einzigartige Potential der Landwirtschaft,
Treibhausgase in Böden und Feuchtgebieten zu speichern. Deshalb braucht es eine
ganzheitliche Förderung zum nachhaltigen Humus-Aufbau und vor allem zum
Wiedervernässen von Mooren. Insbesondere das Wiedervernässen als Maßnahme mit
der höchsten Klimaschutzwirksamkeit ist in der aktuellen nationalen
Ausgestaltung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) nicht vorgesehen -
das ist inakzeptabel! In Deutschland sind 95% der Moore entwässert. Subventionen
für die intensive Bewirtschaftung solcher entwässerten Feuchtgebiete müssen
umgehend beendet werden. Insbesondere der Abbau von Torfflächen und die Nutzung
von Torf haben einen umfangreichen Beitrag zur Klimaerwärmung, da hierbei große
Mengen CO2 frei werden. Daher muss beides in Deutschland und ganz Europa
verboten werden. Durch eine entsprechende kluge und nachhaltige Behandlung von
Feuchtgebieten, die lediglich 4% der deutschen landwirtschaftlichen Fläche
ausmachen, könnten insgesamt 25% der landwirtschaftlichen Emissionen eingespart
werden. Eine nachhaltige Bewirtschaftung kann durch Paludikuktur gelingen, also
die nasse Bewirtschaftung von Mooren. Beispiele sind der Anbau von ökologischen
Bau- und Dämmstoffen, Biomasse zur Energiegewinnung oder auch Torfmoos als
Torfersatzstoff.
Das Potential unserer Wälder als Kohlenstoffsenke muss gesteigert und nicht noch
weiter gemindert werden. Dafür entscheidend ist auch die progressive Gestaltung
der EU-Taxonomie. Es muss verhindert werden, dass das Verfeuern von Biomasse als
„nachhaltig“ eingestuft wird und so falsche Anreize zur Abholzung gesetzt
werden.
Ein besonderes Augenmerk muss auch auf dem Aufbau von Agroforststrukturen
liegen, also der gleichzeitigen Bewirtschaftung mit Gehölzen, Acker und/oder
Tieren auf einer Fläche. Denn solche Systeme können immense Vorteile haben für
Bäuerinnen und Bauern (im Sinne einer Produkt- und Einkommensdiversifizierung),
den ländlichen Raum ( durch den Aufbau regionaler Märkte) sowie das Klima und
die Biodiversität. 10% aller landwirtschaftlichen Flächen (und nicht nur des
Ackerlands) müssen zum Schutz der Artenvielfalt in nicht-produktive Flächen
umgewandelt werden.
Klar ist: Nicht bei allen Umwandlungen landwirtschaftlicher Flächen zu Klima-
und Biodiversitätszwecken ist eine alternative Nutzung, vor allem mit demselben
finanziellen Ertrag wie vor der Umwandlung, möglich. Wir fordern deshalb die
Einrichtung eines "Klimaretter:innen-Fonds", welcher die finanziellen Ausfälle
der Landwirt:innen kompensiert.
8. Internationale Klimapolitik
Die Klimakrise ist eine globale Herausforderung, die sich nicht national lösen
lässt. Nur wenn es uns gelingt, die globalen Emissionen bis 2030 um 45% im
Vergleich zu 2010 zu reduzieren und bis 2050 global Klimaneutralität zu
erreichen, können wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem
vorindustriellen Niveau begrenzen. Die Grundlage dafür ist die Einhaltung eines
global noch verfügbaren CO2-Budgets von 400Gt CO2 (und Budgets für verschiedene
andere Treibhausgase), das eine 67% Wahrscheinlichkeit liefert, das 1,5 Grad
Ziel einzuhalten. – Das ist angesichts von gut 36Gt globalem CO2-Ausstoß pro
Jahr sehr wenig, aber mit ambitionierten Klimaschutzmaßanahmen einhaltbar.
Im Pariser Abkommen bekennen sich alle Staaten dazu, dieses Ziel zu erreichen.
Dafür haben sie einen klaren Mechanismus festgelegt: Statt von Anfang an
verpflichtende Emissionsminderungen für jedes Land festzulegen, geben die
Staaten sich selbst Ziele („NDCs“), mit der Maßgabe, sie alle fünf Jahre zu
verschärfen. Doch nicht alle Staaten kommen dieser Verpflichtung in
ausreichender Weise nach, sodass die Welt laut einer aktuellen Analyse der
Vereinten Nation bis zum Ende des Jahrhunderts immer noch auf 2,7 Grad
Erderwärmung zusteuert.
Um mehr Verbindlichkeit in der globalen Klimapolitik zu erreichen, hat Olaf
Scholz die Gründung eines Klimaclubs vorgeschlagen. In diesem Club schließen
sich Staaten mit gemeinsamen Klimaschutzambitionen, um einheitliche
Wettbewerbsbedingungen für eine klimaneutrale Umgestaltung der Industrie zu
schaffen und so das Race To The Bottom bei Umweltschutzstandards zu beenden.
Die Vereinbarungen innerhalb eines solchen Klimaclubs sollten insbesondere
umfassen:
- gesetzlich festgeschriebene ambitionierte Zwischenziele zur
Emissionsminderung in den teilnehmenden Staaten und eine Verpflichtung zur
Klimaneutralität bis spätestens 2050
- ein gemeinsames Emissionshandelssystem
- verbindliche Standards für die umweltverträgliche Förderung von Rohstoffen
und den Umgang mit sensiblen Ökosystemen, insbesondere Regenwäldern,
Grünland, Mangroven und Meeren
- eine Kooperation im Bereich von Zukunftstechnologien, insbesondere zur
Herstellung von grünem Wasserstoff, zu Energiespeichern sowie zur Nutzung
und Abscheidung von Kohlenstoff (CCUS-Technologien)
Die Klimakrise hat aber auch eine historische Dimension. Denn die Staaten, die
bereits heute am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen,
haben in der Vergangenheit die geringsten Emissionen gehabt. Deshalb ist ein
Kernbestandteil der jährlichen Klimaverhandlungen die Unterstützung ärmerer
Staaten bei Klimaschutz und Klimaanpassung. Dafür haben die entwickelten Länder
ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar verbindlich zugesichert, ohne jedoch
diese Zusage einzuhalten. Deutschland muss als historisch viertgrößter Emittent
von Treibhausgasen seiner Verpflichtung nachkommen und seinen Beitrag zur
globalen Klimafinanzierung nochmals aufstocken.
Ebenso liegt es in der historischen Verantwortung Deutschlands, möglichst
schnell Klimaneutralität zu erreichen und damit nicht weiter zur Aufzehrung des
globalen Treibhausgasbudgets beizutragen. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Deutschland bis 2035.
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