Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
Antragsteller*in: | Landesvorstand |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 08.03.2022, 14:20 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A13NEU: Studieren am Limit
Antragstext
Im Februar 2021 startete unsere hochschulpolitische Kampagne unter dem Motto
„Studieren am Limit“. Dies ist keine Übertreibung, denn viele Studierende
studierten in den vergangenen drei Corona-Semestern durchaus „am Limit“.
Weggefallene Nebenjobs, fehlende Finanzhilfen vom Staat, geschlossene
Bibliotheken, überforderte Hochschulen – die meisten Studierenden haben es seit
über einem Jahr alles andere als leicht gehabt. Viele von ihnen hatten während
den Lockdown-Phasen existentielle Probleme, wie beispielsweise keine
finanziellen Mittel sowie Schwierigkeiten dem Online-Studium zu folgen. Auch die
mentale Gesundheit darf nicht außer Acht gelassen werden. Diese Probleme wurden
nicht ernst genommen und ihnen wurde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Schuld
daran ist allen voran die zuständige Bundesbildungsministerin , die mit
Untätigkeit glänzte und den Studierenden weitere Steine in den Weg gelegt hatte.
Studierende gehören auch zu den Leidtragenden der Corona-Pandemie, denn ihr
Studienalltag hat sich seit Beginn der Pandemie vollständig verändert. Seit dem
Sommersemester 2020, d.h. seit nunmehr drei Semestern, spielt sich ihr gesamtes
Studium nur noch online ab. Vorlesungen und Seminare wurden durch
Videokonferenzen ersetzt, Prüfungen digitalisiert und soziale Kontakte auf dem
Campus auf ein Minimum beschränkt. Nebenjobs und Zusatzeinkünfte, mit denen sich
viele Studierende finanziell über Wasser hielten, sind weggefallen. Die Pandemie
hat viele von ihnen in eine finanzielle Krise gestürzt, denn adäquate staatliche
Hilfen von Seiten des Bundesbildungsministeriums und dessen zuständiger
Ministerin gab es nicht. Sie hat sich mehrfach geweigert, das BAföG zu öffnen
und stattdessen tausende Studierende auf ihre unzureichende Überbrückungshilfe
in Höhe von 500 Euro verwiesen. Um diese jedoch zu erhalten, müssen Studierende
zunächst ein bürokratisches Prozedere durchlaufen, indem sie nachzuweisen haben,
dass (1) ihre finanzielle Notlage tatsächlich pandemiebedingt eingetreten ist
und (2), dass ihr Kontostand weniger als 500 Euro beträgt. Treffen diese beiden
Punkte auf eine studierende Person zu, so erhält sie, abhängig von der Höhe
ihres Kontostands maximal 100 bis 500 Euro Überbrückungshilfe für einen Monat.
Anhand eines Beispiels bedeutet dies, dass ein:e Studierende:r mit einem
Kontostand von 400 Euro nur 100 Euro Überbrückungshilfe, erhält. Das sich damit
kaum die Miete oder die Ausgaben für Lebensmittel decken lassen, scheint die
Ministerin nicht begriffen zu haben. Im Gegenteil, denn für all diejenigen,
deren Notlage pandemiebedingt nicht nachweisbar erscheint, schlägt die
Bundesbildungsministerin die Beantragung eines zinslosen KfW-Studienkredits vor.
Im Zuge dessen sind 37.500 Anträge zur Aufnahme eines solchen eingegangen, wobei
72% der Antragsteller:innen die Kreditaufnahme mit pandemiebedingten
Jobverlusten begründen. Es ist eine Schande, dass all diese Studierende sich
verschulden, während das Ministerium Millionenbeträge aus ungenutzten BAföG-
Mitteln zurück an das Bundesfinanzministerium überweisenlässt. Die Ministerin
hat die Studierenden im Stich gelassen und diejenigen in die Verschuldung
geführt, die aufgrund ihrer gescheiterten und unterbliebenen BAföG-Novelle
keinen Förderanspruch genießen. Für uns ist klar: So kann es nicht weitergehen,
denn ein Studium muss für alle jungen Menschen, unabhängig vom finanziellen
Hintergrund, finanzierbar sein!
- Den Ausbau der Studienstarthilfe „StudiumThüringenPlus“ hin zu einer
grundlegenden Studienstarthilfe, bei der ein Nachweis über die
Bedürftigkeit nicht zwingend durch einem BAföG-Anspruch zu erfolgen hat.
Die Bedürftigkeitsprüfung kann angesichts der geringen BAföG-Förderzahlen
nicht länger nur von einer BAföG-Berechtigung abhängig gemacht werden.
- Dass die Corona-Finanzhilfe des Landes Thüringen, die sich aktuell auf 800
Euro beläuft und die jeweils zur Hälfte als Zuschuss und als zinsloses
Darlehen gewährt wird, als Alternative zu der aus Bundesmitteln
finanzierten Überbrückungshilfe aufrechterhalten wird. Die Thüringer
Finanzhilfe muss sich im Gegensatz zu der Bundes-Überbrückungshilfe an die
finanzielle Situation der Studierenden anpassen lassen, insbesondere die
Bereitstellung verschiedener Auszahlungsmethoden, wie Auszahlung des
Zuschusses mit oder ohne zinsloses Darlehen.
- Wie im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag verhandelt wurde, setzten wir uns
nach wie vor für die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren ein. In
einigen Studiengängen ist das Curriculum so gefüllt, dass nebenher das
Arbeiten und sich Engagieren schlichtweg nicht möglich ist. Um den
Studierenden den Druck zu nehmen, ihr Studium in der Regelstudienzeit zu
absolvieren, müssen die Langzeitstudiengebühren in Thüringen abgeschafft
werden.
Für die gut 33.000 Studierenden in Thüringen (Wintersemester 2020/21, Thüringer
Landesamt für Statistik) stehen an den zehn Hochschulstandorten laut eigenen
Angaben des Studierendenwerks Thüringen insgesamt über 8.000 Wohnungen zur
Verfügung. Die Abdeckungsquote scheint im Vergleich mit anderen Studierenden-
und Studentenwerken in Deutschland sehr gut zu sein. Dennoch gibt es an einigen
Hochschulstandorten durchaus mehr Bedarf an studentischem Wohnraum. Die Mieten
in den Thüringer Wohnheimen liegen im Durchschnitt warm bei 250 Euro pro Monat –
ein Mietpreis, der im deutschlandweiten Vergleich ebenfalls absolut positiv
hervorsticht. Und das gilt es unbedingt zu bewahren.
Da die meist vollmöbilierten Wohnheime in regelmäßigen Abständen saniert und
deren Einrichtungen erneuert werden müssen, hält das Studierendenwerk Thüringen
einen Teil der Mieteinnahmen zurück, um die dafür anfallenden Kosten zu decken.
Aufgrund der Pandemie fehlen erhebliche Einnahmen z.B. im Bereich der Mensen und
Cafeterien, die für ein großes Haushaltsloch sorgen. Um die finanzielle Lücke zu
verkleinern, standen in den letzten Haushaltsverhandlungen des Studierendenwerks
Thüringen die für die Sanierung und Instandhaltung zurückgehaltenen Mitteln zur
Debatte. Eine Kürzung dieser Mittel wäre fatal!
- Studierende sind die alleinigen Nutzer:innen der Studierendenwohnheime,
entsprechend muss ihr Nutzungsverhalten stets im Blick gehalten werden.
Dies kann nur durch eine rechtzeitige Einbeziehung der studentischen
Meinung, sprich der Mieter:innen und der Studierendenvertretungen,
geschehen. Diese Einbeziehung ist bei allen Sanierungsmaßnahmen, Neubauten
und bei der generellen Frage der Nutzungsformen notwendig und vom
Wissenschaftsministerium einzufordern.
Wir haben mit der Novellierung des Hochschulgesetzes erstmals eine weite
Mitbestimmung für alle Statusgruppen an den Hochschulen erreicht. Leider ist
jedoch nicht alles Gold was glänzt. Wir sehen bei der Mitbestimmung an
Hochschulen weiterhin nötigen Reformbedarf, denn viele Entscheidungen, die
Studierende direkt betreffen, werden nicht im Beisein derselben gefällt. Auch
wenn das Thüringer Hochschulgesetz dafür sorgt, dass in allen offiziellen
Hochschulgremien Studierendenvertreter:innen sitzen müssen, war dies vor allem
zu Beginn der Pandemie nicht der Fall. Denn die sogenannten „Krisengremien“ der
Hochschulen, die sich mit allen neu aufkommenden Fragen beschäftigt und
entsprechend über den Hochschulbetrieb in den Corona-Semestern entschieden
haben, waren zunächst an fast allen Thüringer Hochschulen ohne eine studentische
Beteiligung. Zwar verbesserte sich die Situation seitdem, aber dennoch wird die
studentische Stimme vor allem bei Belangen rund um das Thema Umgang mit der
Pandemie viel zu wenig gehört.
- Die Konferenz Thüringer Studierendenschaften (Zusammenschluss aller
Thüringer Studierendenräte und des Studierendenkonvents) muss nicht nur
mit einem Rederecht bei der „Thüringer Landespräsidentenkonferenz“
dauerhaft zu Gast sein dürfen, sondern auch explizit zu ihrer Meinung
befragt und in die Entscheidungen einbezogen werden. Nur so kann ein
bestmögliches Ergebnis erzielt werden, das einerseits die Parität bewahrt
und sich andererseits weniger nachteilig für die Studierenden auswirkt.
- Das Wissenschaftsministerium muss mit Nachdruck dafür Sorge leisten, dass
in allen Krisengremien der Hochschulen eine studentische Beteiligung
sichergestellt ist. Dies schließt ebenfalls alle ähnlichen Gremien und
Arbeitsgruppen ein, die über Parameter beraten oder entscheiden, die das
Hochschulleben wesentlich oder teilweise beeinflussen – unabhängig einer
Pandemie. Die finale Entscheidung soll in den statusgruppen-paritätisch
besetzten Hochschulgremien getroffen werden, anstatt wie jetzt im
Präsidium, nach der Beratung in den nicht statusgruppen-paritätischen
Krisengremien.
Durch die Pandemie ist der Anteil an psychisch belasteten Studierenden um 3% auf
insgesamt 10% gestiegen. Dies ergab eine Umfrage des Deutschen Zentrums für
Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) aus dem Jahr 2020, in der 47% der
befragten Studierenden angaben, dass sie sich wegen der Pandemie stark gestresst
fühlen und deshalb mit der Verlängerung ihres Studiums rechnen. Die Pandemie
zeigt auf unter welchem mentalen Druck Studierende derzeit stehen und mit
welchen gesundheitlichen Problemen sie zu kämpfen haben. Daher ist es nun umso
wichtiger, diese Studierende bestmöglich durch gute Betreuungsangebote zu
unterstützen, um ihnen Stress und Sorgen abzunehmen, damit sie ihr Studium nicht
abbrechen, sondern erfolgreich beenden können.
- Eine echte Anerkennung der individuellen Regelstudienzeit gegenüber der
üblichen Regelstudienzeit. Den Studierenden darf kein weiterer Stress und
Druck entstehen, wenn sie ihr Studium nicht in der üblichen
Regelstudienzeit absolvieren. Die Corona-Semester haben sich nachteilig
auf das Studium ausgewirkt, deshalb muss die individuelle Regelstudienzeit
auf die übliche Regelstudienzeit ordnungsgemäß angerechnet und nicht nur
separat ausgewiesen werden.
- Klarheit in Bezug auf das bevorstehende Wintersemester 2021/22, das nach
jetzigem Stand im besten Falle nur hybrid stattfinden kann. Selbst ein
hybrides Semester verschleiert die Tatsache, dass es sich nichtsdestotrotz
wieder um ein Corona-Semester handelt, in welchem nicht alle Studierende
die Möglichkeit erhalten werden, den Hörsaal von innen zu sehen. Daher
muss auch das Wintersemester 2021/22 als Corona-Semester anerkannt werden.
Eine Anrechnung auf die Regelstudienzeit hat nicht zu erfolgen.
Studentische Hilfskräfte und wissenschaftliche Mitarbeitende sind elementar für
die Wissenschaft. Nur mit ihrer Hilfe gelingt heutzutage der Lehrstuhlalltag.
Sie entlasten Dozierende immens, indem sie durch ihre eigenen
Lehrveranstaltungen einen entscheidenden Beitrag für eine gute Lehre an den
Hochschulen leisten. Sie unterstützen Projekte in der Forschung oder übernehmen
auch eine Vielzahl von Tätigkeiten in der Verwaltung, indem sie bspw. Mails
abfangen oder Klausuren korrigieren. Ohne die Zu- und Mitarbeit von ihnen, wäre
der Hochschulalltag für viele Lehrstühle nicht zu bewältigen.
Dennoch sind die Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte teils sehr
schlecht. Während wissenschaftliche Mitarbeitende als Angestellte an Hochschulen
nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vergütet werden, sind
studentische Beschäftigte davon ausgenommen. Die wenigsten von ihnen sind
tarifvertraglich beschäftigt, d.h. sie treffen meist auf schlechtere
Arbeitsbedingungen, wie eine schlechtere Bezahlung, keinen Urlaubsanspruch oder
keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Mindeststandards an
Arbeitnehmer:innenrechte sind für sie an Hochschulen nicht gewährleistet. Bei
den wissenschaftlichen Mitarbeitenden besteht auch ein eindeutiger
Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Befristung ihrer Arbeitsverträge. Diese
werden nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz meist mehrfach hintereinander
befristet, wodurch Planungsunsicherheiten und Existenzängste bei den Betroffenen
entstehen.
- Unterstützung für die Petition der Initiative TVStud, die eine tarifliche
Absicherung für studentische Beschäftigte fordert und sich insbesondere
dafür einsetzt, dass Kettenbefristungen in studentischen Arbeitsverträgen
abgeschafft werden. Dies sorgt dafür, dass studentische Beschäftigte in
Personalräten mitbestimmen dürfen, jährliche Lohnerhöhungen (nach der
Anbindung an die Lohnsteigerung des Tarifvertrags der Länder) erhalten und
einen Urlaubsanspruch sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
besitzen.
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