Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 25.10.2021) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 25.10.2021, 19:59 |
I1: R2G und RG2 - Dem Morgen Rot entgegen
Antragstext
Das alles kommt nicht von ungefähr. Der Wahlsieg baut auf einer jahrelangen und
konsequenten inhaltlichen Erneuerung auf – maßgeblich organisiert und immer
wieder vorangetrieben von den Jusos. Die Antworten der SPD auf die Fragen
unserer Zeit wurden wieder linker. Endlich wurde linke Sozialpolitik wieder
politisches Programm. Dass die SPD Hartz IV überwinden will, haben wir
geschafft! Doch Programme allein erwirken noch keinen echten gesellschaftlichen
Fortschritt. Damit die historische Aufgabe der Sozialdemokratie, die Befreiung
der Arbeiter:innen politische Realität wird, braucht es die SPD und die Jusos
als linkes Korrektiv. Als sozialistischer, (queer-)feministischer und
internationalistischer Jugendverband definieren wir uns allerdings nicht nur
über die parlamentarische Arbeit, sondern auch über die Verbindung und das
Engagement in den sozialen Bewegungen.
Mit den vielen neuen jungen Abgeordneten steigt die Bedeutung der Jusos
innerhalb der SPD. Und das muss man auch ehrlich formulieren: Unser
Machtanspruch steigt mit der jüngeren, weiblicheren, (post-)migrantischeren und
ostdeutschen Zusammensetzung der SPD-Bundestagsfraktion. Gerade, weil nur durch
das große Engagement der Jusos das gute Abschneiden der SPD bei der
Bundestagswahl erst möglich war.
Seit wenigen Wochen verhandeln SPD, Grüne und FDP über eine sog. Ampel-
Koalition. Immer wieder wird dabei betont, wie vertrauensvoll die Kommunikation
ist und von welch gutem Stil die Gespräche geprägt sind. Das mag für die
Verhandler:innen wichtig sein, aber das allein reicht nicht, um die großen
Herausforderungen dieser Zeit nicht weiter aufzuschieben: Soziale Ungleichheit,
Klimakrise und die ungewisse Zukunft des europäischen Projekts.
Wir begrüßen manche Vorhaben, die in den Sondierungen vereinbart wurden: 12 Euro
Mindestlohn, Kinderrechte ins Grundgesetz und ein Demokratiefördergesetz. Aber
das ist bei weitem nicht ausreichend, damit die Ampel von Gelb auf Rot springt.
An den entscheidenden Stellen krankt die selbsterklärte Fortschrittskoalition.
Einerseits werden enorme Investitionen in Aussicht gestellt und andererseits
lässt die FDP keine Luft an ihre Doktrin der staatlichen Schuldenbremse. Für die
enormen Herausforderungen unserer Zeit brauchen wir öffentliche Investitionen,
denn sozial-ökologische Transformation, Digitalisierung und soziale
Ungerechtigkeiten kommen nicht von selbst. An dieser Stelle führt an einem Umbau
des Steuersystems kein Weg vorbei: Wirtschaftlich Privilegierte müssen einen
größeren Beitrag leisten, über die Erbschaftsteuer, eine Vermögensteuer oder
eine angepasste Einkommensteuer, in der große Einkommen mehr und kleine weniger
stark besteuert werden. Umverteilung darf dabei kein politisches Schlagwort
bleiben, sondern ist zwingend notwendig, um die Schere zwischen Arm und Reich zu
verringern.
Auch arbeitspolitisch wollen wir keine Liberalisierung. Wer die Arbeitszeit
flexibilisieren will, kann nur die Wochenarbeitszeit heruntersetzen – gern auf
30 Stunden bei vollem Lohnausgleich. 12 Euro Mindestlohn allein reichen nicht
für zukunftsfeste, gute Arbeit. Vielmehr brauchen wir endlich eine
umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie, um jungen Menschen eine Perspektive zu
bieten.
In Sachen Klimapolitik reichen die Ergebnisse der Sondierungen ebenso wenig aus.
Wir müssen den CO2-Preis anheben – verbunden mit sozialen Ausgleichsmaßnahmen,
feste CO2-Budgets einführen und schnellstens auf erneuerbare Energien umsteigen.
Die Klimafrage ist eine Soziale Frage – genauso müssen wir sie angehen, um das
1,5 Grad-Ziel nicht zu verfehlen.
Diese Bundestagswahl hat aber auch gezeigt, dass die SPD die einzig verbliebene
demokratische Ostpartei ist. Diese besondere Rolle und die damit einhergehenden
Erwartungen muss die Sozialdemokratie sowohl in einer möglichen Regierung aber
auch als Partei verarbeiten. Die SPD muss die inhaltliche Vertretung der
Menschen im Osten darstellen, die zu großen Teilen gebrochene Lebensläufe
aufweisen, die immer noch mit den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des
ostdeutschen Ausverkaufs an den Westen hadern und die auch 2021 nicht annähernd
in den Führungspositionen des vereinten Deutschlands angekommen sind. Dabei muss
auch gesondert die Situation der jungen Menschen in Ostdeutschland in den
kommenden Jahren in den Blick genommen werden, die zwar selbst die DDR nicht
mehr erlebt haben, aber die gesellschaftlichen Nachteile zu spüren bekommen.
Die Ergebnisse der Bundestagswahl haben einmal mehr verdeutlicht, dass in
Thüringen, aber auch im gesamten Osten radikal rechte Einstellungen sehr weit in
der Gesellschaft verbreitet sind. Die AfD erreichte in Thüringen etwa ein
Viertel aller Stimmen, ganze vier Direktmandate und wurde stärkste Partei. Diese
Erkenntnisse sind weder neu, noch überraschend. Das Wahlergebnis macht sie nur
sichtbar.
Das Wahlergebnis muss Weckruf sein. Eine politische Gruppierung, die einen
Faschisten als Anführer feiert und versucht die demokratischen Strukturen zu
unterwandern, muss politisch bekämpft werden. Gleichzeitig dürfen wir es nicht
zulassen, dass Menschen in Ostdeutschland bzw. in Thüringen weiter abgehängt
werden. Dabei steht es jedoch außer Frage, rassistische oder antisemitische
Einstellungen zu relativieren oder zu tolerieren - sie haben keinen Platz in
unserer Gesellschaft.
Aber Thüringen kommt auch abseits der Bundespolitik nicht zur Ruhe. Eigentlich
hätten in diesem Jahr Neuwahlen des Thüringer Landtages stattfinden sollen.
Notwendig wurde das, nachdem vor eineinhalb Jahren CDU und FDP gemeinsam mit AfD
einen Kurzzeit-MP gewählt hatten. Nun schaffte es dieses Parlament – vor allem
dank der CDU nicht, sich selbst aufzulösen. In dieser Konsequenz gibt es
weiterhin keine parlamentarische Mehrheit für die rot-rot-grüne Regierung, aber
auch für keine anderweitige Koalition.
Als Jusos halten wir Neuwahlen weiterhin als beste Variante, um das politische
“Auf-der-Stelle-treten” zu beenden. Praktisch wird das aber ein unerfüllter
Wunsch bleiben. Deshalb muss insbesondere die CDU in die Verantwortung genommen
werden. Wer sich Thüringen-Partei nennt, muss bereit sein, mit anderen
demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten, anstatt Fundamentalopposition zu
spielen.
Letzteres wird vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltsverhandlungen
deutlich. Die Union stellt in Aussicht, den Landeshaushalt 2022 mit vielen
wichtigen Vorhaben aus politischem Kalkül zu blockieren. Allgemein ist dieser
Haushaltsentwurf unzureichend für die aktuellen Herausforderungen, denen
Thüringen begegnen muss. Anstatt in wichtige soziale Projekte, die Infrastruktur
oder in eine gute Bildungslandschaft zu investieren, wird an einigen Stellen der
Rotstift angesetzt. Sparen in der Krise hat noch nie geholfen – die Aufnahme
neuer Kredite ist nachhaltiger als die Zukunft kaputtzusparen.
Wir stehen für ein starkes rot-rot-grünes Bündnis, das gemeinsam die großen
Herausforderungen in Thüringen angeht. Aber wir fordern alle
Koalitionspartner:innen auf, den Dauerwahlkampf-Modus untereinander zu beenden.
Es braucht eine Landesregierung, die mehr in der Sache kämpft, als sich mit sich
selbst beschäftigt.
Gemeinsam mit den rot-rot-grünen Jugendverbänden werden wir uns dafür einsetzen,
R2G neues Leben einzuhauchen. Für alles andere sind die Herausforderungen zu
groß. Digitalisierung, Klimaneutralität, soziale Herausforderungen, eine moderne
Bildungspolitik und vieles mehr können nicht bis 2024 warten.
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