Antrag LaKo: | Sex work is work – und braucht Arbeiter*innen-Schutz! |
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Antragsteller*in: | KV Erfurt |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 15.10.2020, 14:42 |
Ä2 zu C3: Sex work is work – und braucht Arbeiter*innen-Schutz!
Antragstext
Von Zeile 47 bis 49 löschen:
- Die Beauftragung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Thüringen zur statistischen Erfassung negativer Folgen der Ausweisungspflicht für Sexarbeiter*innen in Thüringen.
Wir stehen an der Seite aller Arbeiter*innen. Ihre Stimmen vertreten wir in der
Politik. Wir sind ein feministischer Richtungsverband, der für die
Selbstbestimmung von Frauen über ihre Körper kämpft. Deshalb stehen wir
geschlossen an der Seite der Sexarbeiter*innen, welche aktuell von der Politik
weder ausreichend Schutz noch Anerkennung erfahren.
Während der vergangenen Monate und unter der Einführung der
Hygieneschutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wurde Sexarbeit
unter dem Status eines „Super spreaders“ in Bundesländern verboten – ohne
jedoch, dass Maßnahmen zur Existenzsicherung der Sexarbeiter*innen eingesetzt
wurden. Sexarbeiter*innen erlitten monatelange Lohnausfälle, ohne eine Lobby
gehabt zu haben, die sich für ihre Rechte einsetzt. Aufgrund des Verbots und der
fehlenden Sicherung der Lebensgrundlage kam es mitunter dazu, dass sich die
Sexarbeit in die Illegalität (wie z.B. in Form privater Airbnb-Partys)
verlagerte, in der sie sich nicht kontrollieren ließ und eine erhöhte Gefahr für
Arbeiter*innen darstellte.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Ausnahmesituationen wie die aktuelle Covid-19-
Pandemie dazu instrumentalisiert werden, den auf einer veralteten moralischen
Wertevorstellung begründeten Wunsch nach dem Verbot der Sexarbeit - fernab der
Interessen der Arbeiter*innen selbst - durchzudrücken. Dabei ist der Katalog an
Maßnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen
eingesetzt werden kann, noch lange nicht ausgeschöpft.
Kleine Anfragen von Thüringer Landtagsabgeordneten ergaben, dass eventuelle
negativen Folge der Ausweispflicht für Sexarbeiter*innen in Thüringen bisher
noch nicht einmal erfasst werden (vgl. Antwort auf Kleine Anfrage Ministerium
für Inneres und Kommunales (6. - Anfang 7. Wp) Drucksache 7/1534 28.08.2020, 2
S.). Genauso finden aufgrund Personalmangels bisher noch keine regelmäßigen
Kontrollen zur Umsetzung der Kondompflicht in Betriebsstätten statt (vgl.
Antwort auf Kleine Anfrage Ministerium für Inneres und Kommunales (6. - Anfang
7. Wp) Drucksache 7/1526 28.08.2020, 7 S.). Wer gegen Menschenhandel und Gewalt
innerhalb der Dienstleistungsbranche der Sexarbeit vorgehen will, muss sich für
differenzierte, unterstützende und vernetzende Lösungen einsetzen und aktiv
gegen die Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen vorgehen. Die eingesetzten
Maßnahmen müssen es Sexarbeiter*innen ermöglichen, sich frei für oder auch gegen
Sexarbeit entscheiden zu können und jederzeit sowohl Beratungs- als auch
Ausstiegsangebote wahrnehmen zu können.
Aus dieser Haltung ergeben sich die folgenden Forderungen
für Thüringen:
- Die umgehende Schaffung einer spezialisierten Beratungsstelle für
Sexarbeiter*innen in Thüringen.
- Die Umsetzung der regelmäßigen und umfassenden Kontrolle der Umsetzung der
Kondompflicht in den Betriebsstätten, sowie die ggf. benötigte Aufstockung der
Personalstellen in den zuständigen Ämtern.
- Die abschließende Erarbeitung einer Handreichung zur Gesundheitsberatung für
Sexarbeiter*innen durch die Landkreise(vgl. Antwort auf Kleine Anfrage
Ministerium für Inneres und Kommunales (6. - Anfang 7. Wp) Drucksache 7/1526
28.08.2020, 7 S.).
- Die Beauftragung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Thüringen zur
statistischen Erfassung negativer Folgen der Ausweisungspflicht für
Sexarbeiter*innen in Thüringen.
und auf Bundesebene:
- Die Rücknahme der Zwangsmeldung und –ausweisung von Sexarbeiter*innen, die
seit Einführung des ProstSchG 2017 gilt. Die Anmeldung und Ausweisung hatten den
Sinn, Sexarbeiter*innen in Kontakt mit einer dritten, unabhängigen Person zu
bringen, welche sie individuell beraten kann. Aus der Angst vor einem
Zwangsouting haben viele Sexarbeiter*innen, insbesondere alleinerziehende
Mütter, denen eine Anfechtung ihres Sorgerechts drohen kann sowie Frauen, welche
um ihre berufliche Karriere fürchten, diese Anmeldung gemieden und sind damit in
den Status illegaler Arbeit gerutscht.
- Stattdessen soll der Ausbau anonymer und kostenfreier Untersuchungen in
Gesundheitsämtern sowie niedrigschwelliger, flächendeckender und mehrsprachiger
Beratungs- und Fortbildungsangebote von Ländern und Bund finanziert werden. Die
Einführung von auf Sexarbeiter*innen zugeschnittenen Beratungsangeboten bei
gesetzlichen Krankenkassen. Die Vernetzung zwischen in- und ausländischen
Verbänden, Organisationen und Beratungsstellen soll gefördert werden.
- Die Einführung europäischer Standards zur Bekämpfung von organisiertem
Menschenhandel. Dies umfasst die Synchronisation der Strafverfolgung zwischen
den EU-Mitgliedsstaaten, sowie die Erarbeitung eines Schutzstatus für Opfer
organisierten Menschenhandels zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und deren
Anrainerstaaten.
- Die Gründung einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene, welche sich mit der
Ausarbeitung von Strategien zur Verbesserung der Situation von Sexarbeiter*innen
auseinandersetzt und zwingend mindestens zur Hälfte mit Mitgliedern aus Nicht-
Regierungsorganisationen und Interessenvertretungen von Sexarbeiter*innen
bestehen soll. Die Arbeit dieser AG soll durch die Evaluation der bisher
ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und Menschenhandel in der
Sexarbeit durch eine unabhängige Institution begleitet werden.
Von Zeile 47 bis 49 löschen:
- Die Beauftragung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Thüringen zur statistischen Erfassung negativer Folgen der Ausweisungspflicht für Sexarbeiter*innen in Thüringen.
Wir stehen an der Seite aller Arbeiter*innen. Ihre Stimmen vertreten wir in der
Politik. Wir sind ein feministischer Richtungsverband, der für die
Selbstbestimmung von Frauen über ihre Körper kämpft. Deshalb stehen wir
geschlossen an der Seite der Sexarbeiter*innen, welche aktuell von der Politik
weder ausreichend Schutz noch Anerkennung erfahren.
Während der vergangenen Monate und unter der Einführung der
Hygieneschutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wurde Sexarbeit
unter dem Status eines „Super spreaders“ in Bundesländern verboten – ohne
jedoch, dass Maßnahmen zur Existenzsicherung der Sexarbeiter*innen eingesetzt
wurden. Sexarbeiter*innen erlitten monatelange Lohnausfälle, ohne eine Lobby
gehabt zu haben, die sich für ihre Rechte einsetzt. Aufgrund des Verbots und der
fehlenden Sicherung der Lebensgrundlage kam es mitunter dazu, dass sich die
Sexarbeit in die Illegalität (wie z.B. in Form privater Airbnb-Partys)
verlagerte, in der sie sich nicht kontrollieren ließ und eine erhöhte Gefahr für
Arbeiter*innen darstellte.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Ausnahmesituationen wie die aktuelle Covid-19-
Pandemie dazu instrumentalisiert werden, den auf einer veralteten moralischen
Wertevorstellung begründeten Wunsch nach dem Verbot der Sexarbeit - fernab der
Interessen der Arbeiter*innen selbst - durchzudrücken. Dabei ist der Katalog an
Maßnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen
eingesetzt werden kann, noch lange nicht ausgeschöpft.
Kleine Anfragen von Thüringer Landtagsabgeordneten ergaben, dass eventuelle
negativen Folge der Ausweispflicht für Sexarbeiter*innen in Thüringen bisher
noch nicht einmal erfasst werden (vgl. Antwort auf Kleine Anfrage Ministerium
für Inneres und Kommunales (6. - Anfang 7. Wp) Drucksache 7/1534 28.08.2020, 2
S.). Genauso finden aufgrund Personalmangels bisher noch keine regelmäßigen
Kontrollen zur Umsetzung der Kondompflicht in Betriebsstätten statt (vgl.
Antwort auf Kleine Anfrage Ministerium für Inneres und Kommunales (6. - Anfang
7. Wp) Drucksache 7/1526 28.08.2020, 7 S.). Wer gegen Menschenhandel und Gewalt
innerhalb der Dienstleistungsbranche der Sexarbeit vorgehen will, muss sich für
differenzierte, unterstützende und vernetzende Lösungen einsetzen und aktiv
gegen die Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen vorgehen. Die eingesetzten
Maßnahmen müssen es Sexarbeiter*innen ermöglichen, sich frei für oder auch gegen
Sexarbeit entscheiden zu können und jederzeit sowohl Beratungs- als auch
Ausstiegsangebote wahrnehmen zu können.
Aus dieser Haltung ergeben sich die folgenden Forderungen
für Thüringen:
- Die umgehende Schaffung einer spezialisierten Beratungsstelle für
Sexarbeiter*innen in Thüringen.
- Die Umsetzung der regelmäßigen und umfassenden Kontrolle der Umsetzung der
Kondompflicht in den Betriebsstätten, sowie die ggf. benötigte Aufstockung der
Personalstellen in den zuständigen Ämtern.
- Die abschließende Erarbeitung einer Handreichung zur Gesundheitsberatung für
Sexarbeiter*innen durch die Landkreise(vgl. Antwort auf Kleine Anfrage
Ministerium für Inneres und Kommunales (6. - Anfang 7. Wp) Drucksache 7/1526
28.08.2020, 7 S.).
- Die Beauftragung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Thüringen zur
statistischen Erfassung negativer Folgen der Ausweisungspflicht für
Sexarbeiter*innen in Thüringen.
und auf Bundesebene:
- Die Rücknahme der Zwangsmeldung und –ausweisung von Sexarbeiter*innen, die
seit Einführung des ProstSchG 2017 gilt. Die Anmeldung und Ausweisung hatten den
Sinn, Sexarbeiter*innen in Kontakt mit einer dritten, unabhängigen Person zu
bringen, welche sie individuell beraten kann. Aus der Angst vor einem
Zwangsouting haben viele Sexarbeiter*innen, insbesondere alleinerziehende
Mütter, denen eine Anfechtung ihres Sorgerechts drohen kann sowie Frauen, welche
um ihre berufliche Karriere fürchten, diese Anmeldung gemieden und sind damit in
den Status illegaler Arbeit gerutscht.
- Stattdessen soll der Ausbau anonymer und kostenfreier Untersuchungen in
Gesundheitsämtern sowie niedrigschwelliger, flächendeckender und mehrsprachiger
Beratungs- und Fortbildungsangebote von Ländern und Bund finanziert werden. Die
Einführung von auf Sexarbeiter*innen zugeschnittenen Beratungsangeboten bei
gesetzlichen Krankenkassen. Die Vernetzung zwischen in- und ausländischen
Verbänden, Organisationen und Beratungsstellen soll gefördert werden.
- Die Einführung europäischer Standards zur Bekämpfung von organisiertem
Menschenhandel. Dies umfasst die Synchronisation der Strafverfolgung zwischen
den EU-Mitgliedsstaaten, sowie die Erarbeitung eines Schutzstatus für Opfer
organisierten Menschenhandels zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und deren
Anrainerstaaten.
- Die Gründung einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene, welche sich mit der
Ausarbeitung von Strategien zur Verbesserung der Situation von Sexarbeiter*innen
auseinandersetzt und zwingend mindestens zur Hälfte mit Mitgliedern aus Nicht-
Regierungsorganisationen und Interessenvertretungen von Sexarbeiter*innen
bestehen soll. Die Arbeit dieser AG soll durch die Evaluation der bisher
ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und Menschenhandel in der
Sexarbeit durch eine unabhängige Institution begleitet werden.
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