Veranstaltung: | Landeskonferenz der Jusos Thüringen 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | Antragsberatung LaKo |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landeskonferenz Jusos Thüringen |
Beschlossen am: | 17.10.2020 |
Eingereicht: | 16.11.2020, 16:11 |
Antragshistorie: | Version 1 |
B13 Bildungskrise - Was jetzt?
Beschlusstext
Der Lockdown des öffentlichen Lebens ab Ende März hat mit den Schließungen der
Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen auch in Thüringen alle an Bildung
Beteiligten vor größte Herausforderungen gestellt. Plötzlich waren die Kinder
gezwungen zu Hause und nicht in der Schule zu lernen. Eltern hatten kurzerhand
Aufgaben der Lehrkräfte. Erzieher:innen und Lehrkräfte betreuten keine Klassen,
sondern stark dezimierte Gruppen in der Notbetreuung und stellten Angebote für
das Lernen zu Haus zur Verfügung.
Durch den Wegfall des täglichen Schulweges fehlten den Schüler:innen wichtige
Kontakte zu Freund:innen, aber auch zu gewohnten Betreuungspersonen wie
Klassenlehrer:innen. Auch dies belastete die Kinder. Durch den Lockdown waren
ebenfalls die möglichen Freizeitgestaltungen der Familien (bspw. durch die
Schließung der Spielplätze, Zoos und Tierparks u. ä.) beschnitten. Als mögliche
Folgen der notwendigen Beschränkungen traten fehlende Routinen, Einsamkeit und
häusliche Gewalt auf.
Die Länder verhandelten mit dem Bund über künftige Wiederöffnungen. Auch die
Kultusministerien rangen um den besten Weg zurück in den Regelbetrieb der
Schulen und Kitas. Auf ein gemeinsames Vorgehen konnte man sich selten einigen.
Die regelmäßige Berufstätigkeit der Eltern war durch die notwendige ganztägige
Kinderbetreuung während der Schließungen kaum realisierbar.
Beim Lernen zu Hause wurden die häufig nicht-pädagogisch vorgebildeten Eltern
stark gefordert. Lehrkräfte als gewohnte Ansprechpartner:innen waren nur
beschränkt kontaktierbar. Die Bildungschancengleichheit litt unter dem Zustand,
da nicht in allen Elternhäusern gleich gute Lern- und Bildungsmöglichkeiten
sächlicher und pädagogischer Art geboten werden konnten.
Beim Home Schooling fiel besonders die in der Schulentwicklung bisher nachrangig
behandelte Digitalisierung ins Gewicht. Zwar werden den Schulträgern durch den
2019 beschlossenen Digitalpakt Mittel zum Ausbau digitaler Ausstattung der
Schulen zur Verfügung gestellt. Der geschätzte Bedarf an Fördermitteln um
Schulen zu digitalisieren beträgt laut einer von der GEW in Auftrag gegebenen
Rechnung allerdings 21 Mrd. € (Quelle:
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/digitale-
mindestausstattung-aller-schulen-kostet-rund-21-milliarden-euro/), wohingegen
der Digitalpakt in der Gesamtbetrachtung der Mittel von Bund und Ländern
lediglich ca. 5,55 Mrd. € über 5 Jahre umfasst (Quelle:
https://www.bmbf.de/de/wissenswertes-zum-digitalpakt-schule-6496.php). Hier
klafft eine deutliche Lücke zwischen dem Bedarf und den zur Verfügung stehenden
Mitteln.
Während der Schulschließungen zogen nicht selten Lehrkräfte von Briefkasten zu
Briefkasten, um auszufüllende Arbeitsblätter an die Haushalte der Schüler:innen
zu verteilen.
Darin wurde deutlich, dass es in der Umsetzung der Mittel des Digitalpakts
weiterhin Defizite gibt. Zum Abruf der Fördergelder müssen die Schulträger beim
Freistaat einen Antrag stellen. Dazu ist eine Konzeption zur Verwendung der
Mittel und zur Digitalisierung der Einrichtung durch die jeweilige Schule zu
erstellen. Wie eine solche Konzeption aussehen und gelingen kann, ist oft
unklar.
Auch in europäischen Erhebungen zum Thema Digitalisierung der Schulen belegt
Deutschland weit abgeschlagen beispielsweise hinter Dänemark oder Estland immer
wieder den letzten Platz (zuletzt im Ranking E-Learning Index von 2019 Platz
27/27).
Wir Jusos fordern zur Bekämpfung der Missstände in der Bildung:
- den Ausbau des schulpsychologischen Dienstes zur Aufarbeitung der enormen
psychischen Mehrbelastungen für Lehrkräfte und Schüler:innen.
Stärkere psychologische Unterstützung ist in der aktuellen Ausnahmesituation
zwingend geboten; um den weiteren Lebens- und Bildungsweg der Kinder zu ebnen
und dem staatlichen Erziehungsauftrag gerecht zu werden und auch um der
Fürsorgepflicht Thüringens als Arbeitgeber zu entsprechen. Mindestens die
Verdopplung des bisher eingesetzten Personals scheint mit Blick auf die enormen
Herausforderungen der Pandemie mehr als gerechtfertigt.
- Aufstockung der Mittel im Digitalpakt.
Den Schulträgern müssen durch Bund und Länder ausreichend finanzielle Mittel zur
Verfügung gestellt werden, um den Schüler:innen bestmögliche Bildung zu
ermöglichen. Bei den aus dem Digitalpakt ausgereichten Mitteln ist bisher kein
Budget für die Wartung und Pflege der IT-Systeme eingeplant. Um diesen wichtigen
Posten ist der Digitalpakt zu erweitern.
- den Aufbau umfangreicher Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Bereich
pädagogisch-didaktischer Konzeption digitalen Unterrichts.
Bisher fehlt es flächendeckend an Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte zur
Aufstellung pädagogisch-didaktischer Konzepte zur Durchführung digital
unterstützten Unterrichts. Damit ist die Erstellung der Konzeptionen zum Abruf
der Mittel aus dem Digitalpakt für die Lehrkräfte nur schwer realisierbar; die
Mittel fließen nur zäh ab und kommen dadurch nicht an den Stellen an, an denen
sie benötigt werden.
Auch in der Anwendung der Technik bestehen Defizite, weshalb die Möglichkeiten
digitalen Unterrichts nicht ausgeschöpft werden können. Die grundsätzliche
Reform der Lehrkräftefortbildung muss umgesetzt werden.
Die Neuaufstellung der Lehrer:innenbildung in Thüringen ist zwingend
erforderlich. Das ThILLM ist als Einrichtung der Lehrer:innenbildung in
Thüringen u.a. für die Lehrkräftefortbildung zuständig. Personell wird dieses
insbesondere mit abgeordneten Lehrkräften ausgestattet. Wir fordern die
grundsätzliche Reform dieser Einrichtung. Es soll ein Fortbildungsinstitut
entstehen, dass sich in Thüringen sowohl mit der frühkindlichen, als auch mit
der schulischen Bildung befasst. Dieses erhält einen umfangreichen
Personalkörper, der gleichermaßen gespeist wird aus Kolleg:innen aus der Praxis
und aus der Wissenschaft. Insbesondere die Vermittlung umfassender Kenntnisse
zur Konzeption von Bildungsangeboten ist erforderlich. Im Ergebnis soll eine
bessere Beratungsqualität für den Dienstleistenden zur Fortbildung für die
Lehrkräfte im Freistaat entstehen.
In allen konzipierten Fortbildungsangeboten soll außerdem eine Verknüpfung mit
digitalen Mitteln und deren Anwendung im Unterricht einbezogen werden. Daneben
können bereits gut geschulte oder autodidaktisch fitte Kolleg:innen zunehmend
für die Fortbildung gewonnen werden, um beispielsweise das Personal an ihren
Schulen zu unterweisen und hier Unterstützung zu bieten. Dazu könnten
individuell einzelne Stunden zur Entlastung der Kolleg:innen von der
Unterrichtsverpflichtung zur Verfügung gestellt werden.
- die Besoldung/Entlohnung der Lehrkräfte an Grundschulen in A 13/ E 13 und
die Anpassung der jeweiligen Ämter der Schulleitung und ständigen
Vertretung dieser.
Bereits vor der Pandemiesituation war dies eine relevante Forderung; auch um die
ungleiche Bezahlung der Grundschullehrkräften gegenüber den Regelschul- und
Gymnasiallehrkräften zu beseitigen. In der Zeit der Schulschließungen wurde
erneut deutlich, wie essentiell gerade die Bildung der Kleinsten als Fundament
der weiterführenden Bildung ist. Aus aktuellem Anlass bekräftigen wir diese
Forderung erneut und plädieren für eine schnellstmögliche Umsetzung.
- die Steigerung des Beschäftigungsumfangs aller Horterzieher:innen auf 100
%.
Auch diese Forderung bestand bereits vor den Coronaeinschränkungen. Die
Erzieher:innen an den staatlichen Grund- und Gemeinschaftsschulen sind weiterhin
in Zwangsteilzeit beschäftigt. Der Freistaat Thüringen soll hier als
vorbildhafter Arbeitgeber agieren und diese prekäre Beschäftigung zu
grundsätzlicher Vollzeitbeschäftigung aufstocken. Möglichkeiten von Teilzeit auf
Antrag der Beschäftigten sollen weiterhin geprüft und nach den Vorgaben des
Tarifvertrags der Länder gewährt werden.
- die Einführung der beitragsfreien Kita als Anerkennung und Würdigung für
die Entbehrungen der Familien und zu deren Unterstützung.
Thüringen stellt zur Bewältigung der Pandemie haushalterisch große Anstrengungen
an. Von diesen sollten ebenfalls die Familien entsprechend profitieren. Das
dritte beitragsfreie Kita-Jahr war eine politische Versprechung von R2G, auf die
sich viele Eltern bereits vorbereitet und mit dieser wichtigen Entlastung
gerechnet haben. Nun will die Regierung auf diesen relevanten Schritt hin zur
kostenlosen Bildung verzichten. Um die Anstrengungen der Familien zur
Bewältigung der Pandemie anzuerkennen und sie zu unterstützen, muss aus unserer
Sicht die beitragsfreie Kitabetreuung für die Familien vollständig und
schnellstmöglich umgesetzt werden. Allein die anderen finanziellen Aufwendungen
des Freistaats Thüringen durch die Pandemie sind keine angemessene Begründung
dafür, die Familien nicht entsprechend zu entlasten. Dies soll aus dem Haushalt
des Freistaats Thüringen finanziert werden.
Begründung
Begründung erfolgt mündlich.