Veranstaltung: | Landesausschuss 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Antragsberatung der übrigen LaKo Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesausschuss Jusos Thüringen |
Beschlossen am: | 15.11.2020 |
Eingereicht: | 24.11.2020, 13:36 |
Antragshistorie: | Version 1 |
C1 Kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige – Recht auf politische Teilhabe
Beschlusstext
Wir fordern ein passives und aktives Wahlrecht für Drittstaatsangehörige auf
kommunaler Ebene, um diesen Menschen die Einbindung in den politischen Diskurs
aktiver zu ermöglichen und Potentiale für die gesellschaftliche Beteiligung zu
heben. Dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen soll so politische Teilhabe
und Mitwirkung ermöglicht werden; ihre Belange sollen stärker als bisher in den
Vordergrund rücken. Während EU-Bürger*innen nach einem dreimonatigen Aufenthalt
in einem EU-Mitgliedstaat auf kommunaler Ebene wählen dürfen, so bleibt dies
Drittstaatsangehörigen auch nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland verwehrt
– dies widerspricht dem Konzept der immer wieder postulierten erforderlichen
Integration. Kommunalparlamente sind die Foren, auf denen Konflikte des
Alltagslebens in demokratisch organisierter und legitimierter Form ausgetragen
werden – dies sollte für alle in Deutschland dauerhaft lebenden Menschen
erreichbar sein.
Hierfür bedarf es
1. einer Bundesratsinitiative zur Änderung des Art. 28 Abs. 1 GG mit dem Ziel,
den Ländern die Ausweitung des kommunalen Wahlrechts für alle Menschen zu
ermöglichen, die seit mindestens drei Monaten dort gemeldet sind wo das
Kommunalwahlrecht ausgeübt werden soll. Damit soll für Menschen aus Drittstaaten
die gleiche Regelung bestehen wie für Deutsche und Eu-Bürger*innen.
2. anschließend der Änderung des Kommunalrechts in Thüringen (ThürKWG, ThürKWO,
ThürKO).
Begründung
Trotz eines gestiegenen Anteils an Ausländern (ohne Unterscheidung ob Drittstaatszugehörigkeit oder anderer Herkunft) in Thüringen[1], aber auch bundesweit, insbes. auch an Geflüchteten aus Syrien, verhindert der derzeitige rechtliche Rahmen die politische Teilhabe von Drittstaatsangehörigen bzw. Nicht-EU-Staatsangehörigen. Seit dem Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 haben alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger das aktive und passive Kommunalwahlrecht in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem sie ihren Wohnsitz haben.[2]In Deutschland wurde diese Vorgabe noch vor Inkrafttreten des Vertrages durch die Einführung von Artikel 28 Abs. 1 S. 3 des GG umgesetzt.
Allerdings umfasst der insoweit eindeutige Wortlaut lediglich EU-Bürger. Aus dem Demokratieprinzip – nach welchem alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht- folgt zudem laut einhelliger Rechtsprechung, dass unter „Volk“ (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2, 28 Abs. 1 S. 1 und Art. 38 Abs. 1 GG) lediglich die deutschen Staatsbürger iSd Art. 116 Abs. 1 GG zu verstehen sind. Dieser Begriff sollte nach der Europäisierung des Staatsvolksbegriffs durch Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG weiter aufgelöst werden. Andere EU-Mitgliedstaaten haben bereits Regelungen getroffen, die Drittstaatsangehörige komplett oder zumindest passiv in den politischen Diskurs einbeziehen. Unter anderem ermöglichen Belgien, Finnland, Irland, Litauen, Portugal, Schweden, Slowenien, Tschechien, die Niederlande, Dänemark und Luxemburg Drittstaatsangehörigen politische Teilhabe.
Die Änderung kann als Treiber für ein besseres gesellschaftliches Miteinander fungieren. Die aktive Mitgestaltung von Drittstaatsangehörigen an politischen Prozessen offeriert neue Perspektiven, kann Integration fördern und das Zusammenleben über die politische Dimension hinaus verbessern. Zudem hat eine solche Änderung auch eine Ausstrahlungswirkung hin zu einer Gleichbehandlung mit anderen Mitbürger*innen, kurzum eine symbolische Bedeutung der Anerkennung.
[2]Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen; (ABl. Nr. L 368 S. 38), zuletzt geändert durch RL 2013/19/EU des Rates vom 13. 5. 2013 (ABl. Nr. L 158 S. 231).